Aarau
Zschokke auf Schritt und Tritt – bis hin zur «Ehrenbezeugung» mittels Bruderkuss

haben Naturama Aargau, Forum Schlossplatz, Zentrum für Demokratie Aarau und Stadtmuseum Aarau einen interaktiven Rundgang entwickelt.

Katja Schlegel
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Die Zschokke-Statue im Kasinopark. Dieses Jahr wurde sie für den Maienzug geschmückt.

Die Zschokke-Statue im Kasinopark. Dieses Jahr wurde sie für den Maienzug geschmückt.

Katja Schlegel/Aargauer Zeitung

Da steht man ihm nun zu Füssen, diesem Heinrich Zschokke, und schaut hoch. Seit 1894 steht er hier im Kasinopark, als Bronzestatue mit starrem Blick ins Nirgendwo, in der Hand Stift und Papierrolle, alles riesenhaft. Wer dieser Mann für das Vaterland war, steht in den Granit gehauen, «Schriftsteller, Staatsmann und Volksfreund». Doch was war er für Aarau? Wo kam er her, was wären heute die Stadt, die Schweiz gar ohne ihn?

Dieses Jahr wäre Heinrich Zschokke 250 Jahre alt geworden. Zu diesem Jubiläum wurde ein interaktiver Rundgang durch die Stadt erarbeitet; ein gemeinsames Projekt von Naturama Aargau, Forum Schlossplatz, Zentrum für Demokratie Aarau und Stadtmuseum Aarau.

Für den Rundgang braucht es zwingend ein Smartphone; mittels App «Actionbound» geht es quer durch die Stadt. Wer ein Covid-Zertifikat hat (ab 16 Jahren) und den Rundgang während der Öffnungszeiten von Mittwoch bis Sonntag zwischen 12 und 17 Uhr macht, erfährt innerhalb der Institutionen mehr; wer kein Zertifikat hat oder zu anderen Zeiten geht, erhält Infos via Schaufenster.

Bis hin zur zweifelhaften Ehre eines «Bruderkusses»

Der Rundgang führt zu vier Stationen, die Zschokkes Leben, Wirken und Leben in Aarau beleuchten. Man erfährt, was Zschokkes Heimatstadt Magdeburg 1842 ihm und seiner Frau Anna Elisabeth, genannt Nanny, zum Geburtstag schenkte, und warum Zschokke eine Zeitlang Säbel und Uniform trug, ohne je einen militärischen Rang bekleidet zu haben.

Man steht mitunter vor der Villa Blumenhalde, dem heutigen Zentrum für Demokratie, in dem die Zschokkes ihre zwölf Buben und eine Tochter grosszogen, und an dessen Pult, an dem er unter anderem ab 1804 seine Artikel für sein beliebtes Wochenblatt «Der aufrichtige und wohlerfahrene Schweizerbote» schrieb.

Heinrich und Nanny Zschokke im Stadtmuseum. Wozu ihm wohl der Säbel diente, der unten in der Vitrine liegt?

Heinrich und Nanny Zschokke im Stadtmuseum. Wozu ihm wohl der Säbel diente, der unten in der Vitrine liegt?

Katja Schlegel/Aargauer Zeitung

Man vergegenwärtigt sich, dass Zschokke und sechs weitere Männer es waren, die 1811 die Aargauische Naturforschende Gesellschaft gründeten (ihr 1922 eröffnetes Museum wurde in das heutige Naturama überführt).

Und man hört und fühlt förmlich, wie sehr es Zschokke geschaudert hat, als er 1798 nach Aarau kam, um als Interessenvertreter der Bündner Patrioten vor dem Direktorium zu reden – und die «Ehrenbezeugung» mittels Bruderkuss über sich ergehen lassen musste. «Ich hätte vor Schämen lieber die Flucht ergreifen mögen», schrieb er Jahrzehnte später über diesen Moment.

Im Album der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft klebt Zschokkes Bild an erster Stelle.

Im Album der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft klebt Zschokkes Bild an erster Stelle.

Katja Schlegel/Aargauer Zeitung

Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Rundgang macht den bronzenen Zschokke zu einem Zschokke aus Fleisch und Blut. Das mag absurd klingen; aber der Mann, der seit Jahr und Tag mitten unter den Aarauerinnen und Aarauern steht, ist wohl den wenigstens mehr als ein Begriff, ein Name, eine Inschrift. Wer den Rundgang macht, dem fährt kalt ein, wie unrecht man ihm damit tut.

Hinweis

Kostenloser Rundgang «Heinrich Zschokke. Von der Bronzestatue zum Bruderkuss» noch bis 23. November. Dauer ca. zwei Stunden, Distanz drei Kilometer. Für Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren. Infos auf www.stadtmuseum.ch oder www.forumschlossplatz.ch.