Für den Aargauer Saxofonisten Simon Spiess (31) ist der Sound das Wichtigste. Jetzt erscheint sein neues Trioalbum.
Der Mann hat Stil. Mit Hut, runder Brille, Hipsterbart, einem karierten Anzug und einem breiten Grinsen erscheint Simon Spiess zum Interview in seinem Probelokal in der Piano Lounge in Aarau. «Ich renne nicht jedem hippen Modetrend hinterher, aber Stil ist mir schon wichtig», sagt der Saxofonist. Der 31-Jährige ist kein Jazzmusiker, der mit verbeulten Hosen auf der Bühne steht. Er orientiert sich in dieser Beziehung lieber an Musikern wie Miles Davis, Dizzy Gillespie und Thelonious Monk, die immer grossen Wert auf ihre Garderobe legten. «Das hat auch mit dem Respekt gegenüber dem Publikum zu tun», sagt Spiess.
Seit anderthalb Jahren wohnt der gebürtige Aarburger mit seiner dänischen Frau Marie-Louise in Aarau. «Wir sind noch nicht ganz heimisch geworden, aber die Stadt gefällt uns gut», sagt der vielgereiste Spiess, «eine Stadt, die gleich drei Jazz-Vereine hat, kann nicht so schlecht sein». Und irgendwie hat das mit dem Jazz auch in Aarau angefangen. «Ich wäre nämlich fast Pfleger geworden», sagt Spiess. Mit 15 besuchte er hier einen Vorbereitungskurs, doch Fritz Renold von Jazzaar erkannte sein musikalisches Talent und hat ihn von einer Musikerkarriere überzeugt.
Studiert hat Spiess danach an der Musikhochschule in Basel, wohnte in Olten und holte sich Inspiration in New York. Ein Förderpreis des Kantons Solothurn ermöglichte einen Abstecher nach Berlin. Prägender für seine musikalische Entwicklung war aber der vom Aargauer Kuratorium finanzierte einjährige Atelieraufenthalt in Paris. «Paris ist eine Jazzstadt, dort wird der Jazz zelebriert. Das ist sehr motivierend. Täglich habe ich acht Stunden geübt, gespielt und komponiert», sagt er.
Heute lebt er als Musiker vom Unterricht an der Musikschule in Aarburg, an einem Gymnasium in Zürich aber vor allem von Konzerten in verschiedenen Formationen. Hauptband ist aber sein Trio, das schon seit zehn Jahren besteht und seit drei Jahren in der Besetzung mit Bänz Oester (Bass) und Jonas Ruther (Schlagzeug). In diesen Tagen erscheint schon sein sechtes Album, «Towards Sun». «Im Trio kann ich meine Gefühle am besten transportieren», sagt er.
Spiess ist ein eher zurückhaltender, introvertierter Saxofonist in der coolen Tenor-Tradition von Warne Marsh, Zoot Sims und Mark Turner. Das pianolose Saxofon-Trio ist für Spiess die ideale Plattform, weil die Musik ohne Harmonieinstrument transparenter wirkt und dadurch der spezielle, luftige Sound seines Saxofons besonders gut zur Geltung kommt. «Der Sound ist für mich das Wichtigste. Er transportiert Gefühle am direktesten», sagt Spiess und demonstriert es auf seinem Inderbinen-Tenorsax. Tatsächlich schwingt stets ein permanenter, gut hörbarer Luftstrom mit. Aber selbst in hohen Registern und lauten Passagen ist diese markante Luft hörbar. Sie verleiht dem Spiel Intimität, Tiefe und das gewisse Etwas, das Spezielle, Persönlichkeit. Auf dem Album wird diese besondere Soundqualität am besten im Titelstück oder noch mehr in «Facing The Tiger».
Simon Spiess spricht ruhig und überlegt. Er scheint in sich zu ruhen. «Nein, ich bin kein Buddhist», sagt er, «aber ich interessiere mich für die fernöstliche Religion und meditiere oft.» So klingt er auch auf dem Saxofon. Er kann auch mal ausbrechen, spielt aber sparsam, nichts ist überhastet. Spiel und Person sind in Einklang. Spiess ruht in sich und will mit möglichst wenig möglichst viel erzeugen. «Mein Ziel ist es, mit dem Instrument auch als Mensch zu wachsen», sagt er. Simon Spiess hat sich und seine Bestimmung gefunden.
Simon Spiess: Towards Sun (Unit Records). Live: 6. 9. Jazz Club Aarau; 23. 9. Moods Zürich; 25. 9. Tuesday Jazz Solothurn; 10. 11. Jazz in Olten; 20./21. 11. Bird’s Eye Basel; 6. 12. Be-Jazz Bern.