Kölliken
Kröten statt Korn? Streit um die Sondermülldeponie

Pro Natura wehrt sich gegen die Schaffung von Fruchtfolgeflächen. Sie fordert die Schaffung einer «Zone für nachhaltige Landwirtschaft und Naturerlebnis».

Urs Helbling
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Die Halle ist weg, die ehemalige Sondermülldeponie sieht aus wie eine Mondlandschaft.

Die Halle ist weg, die ehemalige Sondermülldeponie sieht aus wie eine Mondlandschaft.

Urs Helbling

Obwohl das Gift, weg ist, kommt die Sondermülldeponie Kölliken (SMDK) nicht zur Ruhe: Eine neue Kontroverse ist im Anzug. Es geht darum, was dereinst auf der wiederaufgefüllten Grube wachsen darf: Wird es auf dem Hang knapp drei Hektaren Furchtfolgeflächen geben, wie das der Kanton möchte? Oder wäre es besser, ein schweizweit einzigartiges Naherholungs- und Amphibienschutzgebiet zu schaffen, wie das Johannes Jenny, der Geschäftsführer von Pro Natura fordert?

Klar ist: Im anstehenden Zonenplanverfahren wird es ein heftiges Seilziehen geben. Das Mitwirkungsverfahren, bei dem sie alle Interessierten einbringen können, soll im Winter stattfinden.

Drei Hektaren Fruchtfolgeflächen?

Die Ausgangslage: Die ehemalige Sondermülldeponie sieht aktuell aus wie eine Mondlandschaft. Sie ist erst zu einem knappen Drittel wiederaufgefüllt. In der Grube stehen Bauprofile. Ab Ende Woche wird das Baugesuch «Endgestaltung des SMDK-Areals» aufliegen. Und das, obwohl das Areal zonenplanmässig ein weisser Fleck ist.

Das entsprechende Verfahren befindet sich erst im Anfangsstadium. Fest steht: Der Kanton möchte auf etwa der Hälfte des sieben Hektaren grossen Grundstücks hochwertige Fruchtfolgeflächen erstellen. Auf dem Rest soll es Magerwiesen, Hecken und Wald geben. Das bestehende Biotop soll allenfalls in den Bereich nördlich der Holzmatt-Grube verschoben werden.

Seit Jahren ein Thema

Der Umweltorganisation Pro Natura schwebt etwas ganz anderes vor. Schon 2014 hat sie – basierend auf einem einstimmigen Generalversammlungsbeschluss – die Schaffung einer «Zone für nachhaltige Landwirtschaft und Naturerlebnis» gefordert.

Unter anderem mit folgender Begründung: «Die neue, positive belegte Zonierung würde Kölliken helfen, einen Gegentrend zu ihrem unverschuldet negativen Image zu setzen.» Doch, so Johannes Jenny gegenüber der AZ, immer vertröstet worden.

Einst sehr viele Amphibienarten

Jenny skizziert, was Pro Natura im Mitwirkungsverfahren voraussichtlich verlangen wird. Und er holt dabei weit in der Vergangenheit aus: «Einst beherbergte die Tongrube Kölliken fast alle einheimischen Amphibienarten. Alle Biotope mussten ab Ende der 70er Jahre den Giftfässern weichen.»

Auf Drängen des damaligen Aargauischen Bundes für Naturschutz (heute Pro Natura Aargau) seien als Ersatz in der Nordostecke des Areals die heutigen Tümpel angelegt worden. «Leider konnte dadurch nur ein bescheidener Teil der Arten gerettet werden», so Jenny. Die Wiederauffüllung biete nun die Gelegenheit zur Wiedergutmachung.

Die Sanierung koste kein halbes Promille des Gesamtaufwandes und würde dem Gebiet die nationale Bedeutung auch inhaltlich zurückgegeben. «Darum fordert Pro Natura Aargau seit Jahren, dass den Amphibien, nach der Auffüllung, die Lebensräume zurückgegeben werden!»

«Günstigere Lösung»

Für völlig falsch hält Jenny die Idee des Kantons, teure künstliche Fruchtfolgeflächen zu schaffen: «Das ist volkswirtschaftlich ein Unsinn, zumal die Kunstäcker kaum je die Fruchtbarkeit von natürlich gewachsenem Boden erreichen.» Komme hinzu, dass gleichzeitig geplant sei, in Schöftland und Birmenstorf natürliche Fruchtfolgeflächen im grossen Stil zu zerstören.

Für den Pro-Natura-Geschäftsführer ist klar: «Günstiger und einfacher wäre, sowohl auf den künstlichen Aufbau- als auch die Zerstörung natürlicher Fruchtfolgeflächen zu verzichten und dafür in Kölliken ein schweizweit einzigartiges Naherholungs- und Amphibienschutzgebiet zu schaffen.» Pro Natura Aargau werde sich gemeinsam mit den lokalen Organisationen intensiv dafür einsetzen.