Seengen
Im verlassenen Schloss Hallwyl: Auf der Suche nach der verschwundenen Braut

Museum Aargau bietet neu eine nächtliche Rätseltour durchs dunkle Schloss Hallwyl. Eine Tour, die es in sich hat. Würde die Polizei auftauchen, wäre keiner so richtig überrascht.

Katja Schlegel
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Die Rätseltour basiert auf einer wahren Begebenheit, die vor 400 Jahren als «Die Brautfahrt am Hallwilersee» in die Geschichte einging.

Die Rätseltour basiert auf einer wahren Begebenheit, die vor 400 Jahren als «Die Brautfahrt am Hallwilersee» in die Geschichte einging.

Sandra Ardizzone

Das Walkie-Talkie macht alle Fassung zunichte. Sein lautes Knarzen mitten hinein in die nächtliche Stille, es lässt für eine Sekunde Blut und Atem stocken; die Angst, die einem beim Herumschleichen durch die Gemäuer von Schloss Hallwyl so neckisch im Nacken gekitzelt hat, krallt sich unbarmherzig ins Fleisch. «Ihr habt etwas übersehen», hallt es aus dem Gerät. Dann ist es wieder totenstill. Insgeheim schämt man sich ein bisschen, dass einem ein Kinderspielzeug in solche Aufregung versetzen konnte, herrje.

Aber wer kann's einem verübeln: Nachts in einem verlassenen Schloss, auf den Spuren einer jungen Braut, deren Freudentag so tragisch endete, das hat es schon in sich. Das ist mystisch, aufregend, etwas gruselig – unvergesslich. Die Rätseltour «Nachts durchs Schloss» ist das neuste Angebot von Museum Aargau. Eine Idee, die schon seit Jahren herumgeistert, und nun endlich umgesetzt werden konnte.

Ein merkwürdiges Gefühl, nachts in den Gefängnisturm zu schleichen.

Ein merkwürdiges Gefühl, nachts in den Gefängnisturm zu schleichen.

Sandra Ardizzone

Was sich die Vorbeifahrenden wohl denken ob der Gruppe im Dunkeln?

Doch von Anfang an: Still liegt das Schloss im Winterschlaf, rabenschwarz zieht sich der Wassergraben um das Gemäuer. Kein Licht brennt, einzig die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos lassen Lichtflecken über die Steine zucken. Was sich die Vorbeifahrenden wohl denken? Wenn sie da im Dunkeln diese kleine Gruppe sehen, die sich über eine geheimnisvolle Hochzeitseinladung beugt und im Schein von drei Laternchen nach dem ersten Posten sucht? Würde die Polizei auftauchen; so richtig überrascht wäre keiner.

Wo wohl der fehlende Schlüssel steckt?

Wo wohl der fehlende Schlüssel steckt?

Sandra Ardizzone

Und so macht sich die Gruppe im Schloss auf die Suche. Findet, rätselt, irrt durch die leeren Räume. Sucht Schlüssel und Münzen, Tränen und Liebesbriefe. Marschiert über knarrendes Parkett, tapst Treppenhäuser auf und ab, schiebt sich zaghaft durch die Tür des Gefängnisturms, huscht rasch an der gesichtslosen Klosterschwester vorbei und steigt mit ungutem Gefühl durch eine Falltür. Alles in nahezu kompletter Dunkelheit, nur mit den Laternen in der Hand. Das viele Lachen und Witzeln macht es erträglich mit dem unguten Gefühl, bis – ja, bis eben dieses Walkie-Talkie faucht.

Die Geschichte der verschwundenen Braut ist nicht etwa erfunden

Bei allem Amüsement; der rote Faden, dem die Rätseltour folgt, ist eine höchst tragische Geschichte. Und nicht etwa eine erfundene: Am 5. Dezember 1608 wollten Madlena Fuchs aus Fahrwangen und Rudi Stahel aus Reinach heiraten. Bei der Überfahrt nach Beinwil ertrank die Braut mitsamt vier Freundinnen im See. Das ist so im Reinacher Eheregister belegt. Über den Grund, wie es so weit kommen konnte, gibt es hingegen verschiedene Versionen: Hat ein Sturm das Schiff versenkt? Oder war es vielleicht doch so, dass das Schiff mit der gesamten Hochzeitsgesellschaft schlichtweg überladen war, wie es in einem Volkslied als «Die Brautfahrt am Hallwilersee» bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts besungen wurde?

Die Stationen auf der Rätseltour sind schön hergerichtet.

Die Stationen auf der Rätseltour sind schön hergerichtet.

Sandra Ardizzone

Wer weiss. So wichtig ist das auch gar nicht, zu herzergreifend ist die Geschichte, schlichtweg perfekt für diese Rätseltour; als hätte man sie eigens dafür erfunden. Wer die verschwundene Braut selber suchen möchte, kann dies noch bis Ende März, bevor Schloss Hallwyl wieder aus dem Winterschlaf geweckt wird.

Hinweis

«Nachts durchs Schloss» noch bis Ende März 2022 von Di. bis So., für max. 6 Personen, Preis 180 Franken, nur online buchbar: www.museumaargau.ch