Das Bezirksgericht schickt einen 29-jährigen Portugiesen, der auf der A1 völlig ausrastete, für 15 Monate hinter Gitter. Während der Fahrt schlug er mit der Faust auf ein vorbeifahrendes Auto ein und griff hinterher den Fahrer an.
Der Lebensinhalt von Mario, der als Achtjähriger aus seiner Heimat Portugal hierhergekommen war, sind Autos. Sein Beruf ist Chauffeur, seine Leidenschaft sind Time-Attack-Rennen. Er fährt sie unter anderem in Hockenheim und im französischen Anneau du Rhin.
Er hat ein kleines Team, einen Sponsor, einen Ford Sierra und Schulden am Hals. Wie viele, kann Mario nicht sagen, doch Gerichtspräsident Bruno Meier hilft ihm auf die Sprünge: «Über 100' 000 Franken sind's gut und gerne.»
Die Sturmflut von Betreibungen ist nicht der einzige dunkle Punkt im Leben des 29-jährigen Portugiesen. Auch sein Strafregister-Auszug weist einen erklecklichen Umfang auf, vor allem was Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz betrifft.
Letztmals hatte Mario im November 2009 deswegen vom Bezirksgericht Baden eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten kassiert mit einer Probezeit von vier Jahren. Es hatte aber nur vier Monate gedauert, bis Mario am Steuer seines Citroën C1 einen anderen Automobilisten und dessen Familie um ihr Leben fürchten liess.
Boxeinlage unbestritten
Es war ein Donnerstagabend im März, und das Ehepaar W. war mit seinem achtjährigen Sohn in seinem Opel Zafira auf der Autobahn von Spreitenbach Richtung Baden unterwegs. Bei Wettingen behinderte der einfahrende Mario, das Natel am linken Ohr, das Fahrzeug der Familie W., worauf Herr W. hupte und Frau W. mit einer Geste klarmachte, dass telefonieren am Steuer verboten ist.
So etwas lässt sich einer wie Mario nicht bieten. Der überholte zunächst rechts drei Fahrzeuge und holte, auf der mittleren Spur fahrend, auf der Rampe zum Baregg, den mit gegen 80 km/h auf der zweiten Überholspur fahrenden Wagen der Familie W. ein. Mario öffnete das vordere linke Fenster, lenkte seinen Citroën haut- oder vielmehr blechnah an den Opel seines Kontrahenten und schlug zu.
Ob sein linker Haken - wie er sagt - den Kotflügel oder - wie Herr und Frau W. sagen - die hintere Scheibe traf, blieb ungeklärt; die Boxeinlage an sich wurde von Mario nicht bestritten. Zwei Schikanenstopps vom Opelfahrer hätten ihn so masslos wütend gemacht.
Verfolgt und Weg versperrt
Der linke Haken hatte Marios Zorn nicht gemindert. Als Herr W. die Autobahn in Baden West verliess, folgte der Portugiese ihm. Als der Opel vor einem Rotlicht warten musste, stieg er aus und beschimpfte Herrn W. aufs Übelste, die «Schlötterli» mit einem eindeutigen Griff zwischen seine Beine untermalend.
Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhr das verängstigte Ehepaar W. erneut auf die Autobahn - diesmal Richtung Zürich - um seinen Verfolger mittels einer «Ehrenrunde» abzuhängen. Vergebens - als die Familie an der Mellingerstrasse beim McDonald's einen Parkplatz suchte, versperrte Mario mit seinem Auto dem Opel den Weg, stieg aus und deckte Herrn W. mit weiteren Unflätigkeiten ein. Als Frau W. die Polizei anrief, machte Mario sich aus dem Staub. Von unterwegs teilte er der Polizei telefonisch seine Sicht der Ereignisse mit.
Absolut keine günstige Prognose
Die Untersuchung gegen Herrn W. wegen angeblicher Schikanestopps wurde jedoch rasch eingestellt und Mario, der sein Billett seit damals los ist, wurde der mehrfachen Nötigung, Beschimpfung sowie diverser Vergehen gegen das Strassenverkehrsgesetz angeklagt.
An die Verhandlung dieser Tage wurde er von zwei Polizisten begleitet. Seit rund 80 Tagen sitzt Mario in U-Haft: Diese hatte die Staatsanwaltschaft Brugg angeordnet, weil dort gegen den 29-Jährigen bereits wieder ein frischer, näher noch nicht bekannter Fall hängig ist.
Vor Bezirksgericht Baden gab der gross gewachsene, gut gebaute Mario sich zunächst selbstsicher. Je länger die Verhandlung dauerte, desto mehr fiel er allerdings in sich zusammen, und als Bruno Meier das Urteil eröffnete, wurde Mario aschfahl im Gesicht: Sieben Monate unbedingt und Widerruf der bedingten Strafe von 2009 ergibt eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, verbunden mit vollzugsbegleitender Massnahme.
Die 80 Tage U-Haft werden nicht angerechnet, da sie nicht im Zusammenhang mit diesem Fall stehen. Der Faustschlag aus dem fahrenden Auto sei, so Richter Meier, «absolut rücksichtslos und nicht zu verantworten» gewesen: «Es kann Mario in keiner Weise eine günstige Prognose gestellt werden.»