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20 von total 50 Einwohnerräte haben bisher in der Amtsperiode 2010–2013 demissioniert. Als grosses Thema werden immer wieder die zeitlichen Ressourcen genannt. Eine Umfrage bei den Parteipräsidenten.
Am 22. September wählt Baden das Stadtparlament. Doch: Wie viele Parlamentarier werden die nächste Amtsperiode überdauern?
Seit den Einwohnerratswahlen im Jahr 2009 haben 20 amtierende Ratsmitglieder während der Legislatur ihr Mandat niedergelegt. Demissionen gab es zwar schon immer, aber nicht gleich von 40 Prozent der Gewählten.
Der Vergleich zwischen den Parteien zeigt grosse Unterschiede. Bei der FDP (11 Sitze) blieben vier Einwohnerräte auf der Strecke, beim team baden (7) und bei der SP (9) gar deren fünf.
Drei Ratsmitglieder demissionierten bei der CVP (8), während die SVP (8) mit einem Austritt am beständigsten war, abgesehen von der GLP (2), die keinen Abgang verzeichnete. Je einen Wechsel gab es bei den Grünen (4), und bei der EVP (1) kam es auch zu einer Ablösung.
n Es ist eine Tatsache und auch spürbar: Wenn 40 Prozent eines Parlaments innert einer Legislaturperiode (vier Jahre) ausgewechselt werden, dann beginnt der Ratsbetrieb, darunter zu leiden. Denn in der politischen Arbeit ist Kontinuität erforderlich, wenn eine Stadt auf vier oder mehr Jahre hinaus gesetzte strategische Ziele speditiv erreichen möchte.
Die ablaufende Amtsperiode mag mit 20 Demissionen von total 50 Ratsmitgliedern eine Ausnahme bilden. Trotzdem darf man die Situation weder beschönigen noch verniedlichen: Unser Milizsystem zollt den Zeiterscheinungen vermehrt Tribut. Waren es früher oft die Sesselkleber, die ein Vorwärtskommen verhindert haben, fehlen im heutigen politischen Alltag je länger, je mehr bewährte Kräfte mit Wissen und Erfahrung, die sich längerfristig für ein öffentliches Amt zur Verfügung stellen. Die Reduktion des Parlaments, wie es ein aktuelles Postulat vorschlägt, könnte möglicherweise ein Lösungsansatz sein.
Kein Zweifel: Die Funktionalität des Milizsystems wird im politischen Alltag verstärkt auf die Probe gestellt werden. Es gilt zu diesem System Sorge zu tragen, ist es doch einer der Grundpfeiler der gelebten Demokratie. Diejenigen, die das politische Steuer für die nächsten vier Jahre übernehmen werden, müssen sich grundlegende Gedanken darüber machen, wie sie sich diesen Herausforderungen stellen wollen.
Auch zu Höherem berufen
Einige Abgänge verzeichnete das Parlament auch darum, weil Amtsträger zu Höherem berufen wurden, so Cédric Wermuth (SP) nach seiner Wahl zum Nationalrat, Jürg Caflisch (SP), der sich mit seinem Grossratsmandat nach einer langen Zeit im Einwohnerrat ebenfalls verabschiedete.
Markus Schneider (CVP) sowie Ruth Müri (team) wechselten die Seite und sind neu im Stadtrat tätig.
«Wir führen mit allen Kandidierenden jeweils ein Gespräch darüber, was sie in diesem Amt zu erwarten haben und was die Partei von ihnen erwartet», sagt Andrea Arezina, SP-Präsidentin.
Für eine Partei sei es nicht gut, wenn Kandidaten bereits nach zwei Jahren zurücktreten, ist die Parteipräsidentin überzeugt. Viele Veränderungen seien nicht vorhersehbar, sagt Arezina. Laut Matthias Gotter, CVP-Präsident, fehlt mit zunehmender Individualisierung vermehrt die Motivation, sich für ein öffentliches Amt zur Verfügung zu stellen.
Beruf, Ausbildung, Wohnortswechsel
Vielfach waren berufliche Veränderungen Grund der Demission: der Wechsel des Arbeitsortes, eine neue Herausforderung oder eine Beförderung, Fortbildung oder eine zusätzliche Ausbildung, die gestartet wurde. Bekannt ist auch, dass einzelne Ratsmitglieder ihren Wohnsitz gewechselt haben.
«Die zeitlichen Ressourcen sind immer wieder ein Thema», sagt Serge Demuth, SVP-Präsident. Es könne auch sein, dass das Amt nicht den persönlichen Vorstellungen entspreche. Damit begründet Demuth den einzigen Rücktritt in seiner Fraktion.
«Bei der SVP ist es dafür stets schwierig, Kandidierende zu finden», gesteht Demuth. «Manche Leute vertreten zwar das Gedankengut der SVP in ihrem privaten Umfeld, wollen sich aber nicht in der Öffentlichkeit exponieren», sagt Demuth.
«Früher waren bei der FDP Rücktritte während der Legislatur kaum ein Thema gewesen», sagt deren Präsident Matthias Bernhard. «Wir wünschen von unseren Kandidaten, dass sie sich schon zwei Amtsperioden zur Verfügung stellen», so Bernhard. Diese Kontinuität wäre im Planungsrhythmus von Legislaturzielen über vier Jahre hinweg notwendig.
Heute sei vermehrt Flexibilität gefordert, sagt Ruth Müri (team). Sie sehe hinter den häufigeren Demissionen keine politische, sondern eher gesellschaftliche Gründe.
Man könne von Menschen zwischen 20 und 40 Jahren nicht verlangen, dass sie sich definitiv acht Jahre für ein solches Mandat zur Verfügung stellen.