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Baden
2019 soll das Botta-Bad in Betrieb gehen. Wird es daneben ein weiteres – kostenloses – Angebot geben? Der Gedanke eines "Bagno Popolare" geistert in der Stadt herum.
Vielen Menschen in der Region dürfte gar nicht bewusst sein, dass in Baden aus 18 Quellen täglich rund eine Million Liter 47 Grad warmes Thermalwasser strömen. Abgesehen von ein paar Hotel-Bädern fliesst das meiste Thermalwasser jeden Tag ungenutzt in die Limmat. Es braucht schon Aktionen wie das «Bagno Popolare» am letzten Animationsfestival Fantoche, damit man überhaupt realisiert, auf was für einem Schatz die Stadt Baden eigentlich sitzt. «Wir betrachten das Thermalwasser als einen von der Natur gespendeten Reichtum. Uns interessiert, wie man in Baden authentisch und unter freiem Himmel baden kann», sagt Marc Angst von der Gruppe Bagni Popolari.
Diese war es, die Anfang September auf dem Kurplatz für drei Tage das «Bagno Popolare» erstellte – quasi eine 40 Quadratmeter grosse, überdimensionale Badewanne, deren Lage und Grösse sich am historischen St. Verenabad orientiert hat. «Es war sprichwörtlich ein Experiment. Wir wussten ja nicht, ob sich die Leute überhaupt getrauen, in der Öffentlichkeit zu Baden», so Angst. Sie taten es: «Wir waren selber überrascht, wie schnell sich das Bad herumsprach und wie viele Leute begeistert in die Bäder kamen – nicht nur wegen «Fantoche», sondern gerade wegen des Bades. So war es zum Beispiel gar nicht so einfach, das Bad am Samstagabend zu schliessen, weil sich noch so viele Badegäste vergnügen wollten.» Bei fast allen Gästen sei dabei schnell die Frage aufgekommen: «Wieso könnt ihr das Bad nicht einfach stehen lassen; wieso gibt es nicht dauerhaft ein solches Angebot?!»
Ja, wieso eigentlich nicht? «Für uns war von Anfang an klar, dass es sich um eine temporäre, ja vergängliche Kunstinstallation handelt», betont Angst. Aber man könne sich die Frage nach der Möglichkeit eines dauerhaften «Bagno Popolare» tatsächlich stellen. Angst ist sich natürlich bewusst, dass es wahrscheinlich viele Hindernisse zu überwinden gäbe. «Aber Beispiele in Italien – so etwa die Terme di Saturnia oder die Bagni di Petriolo – zeigen, dass ein Nebeneinander von Thermalbädern, inklusive Hotel und öffentlichen Thermalbecken sehr gut funktioniert», so Angst, der mit seiner Familie diese Orte selber schon bereist hat. «Seit Tausenden von Jahren sprudelt auch in Baden Thermalwasser genau in der richtigen Höhe und in der richtigen Temperatur aus dem Boden, dieses einmalige Potenzial könnte man doch nutzen. «Anders als an anderen Standorten muss das Wasser in Baden für ein bescheidenes Bad weder heraufgepumpt noch erwärmt werden», sagt Marc Angst.
Dass ein öffentliches Becken das Botta-Bad konkurrenzieren könnte, glaubt Angst nicht. «Der Kappi-See – der nie als Bademöglichkeit angedacht war – ist ja auch keine Konkurrenz zum Terrassenbad.» Die Gäste, welche dannzumal die Annehmlichkeiten des Botta-Bades schätzen, seien sicher nicht die gleichen, die sich vom kleinen, archaischen «Bagno Popolare» angesprochen fühlten. «Wenn schon gibt es eine Konkurrenz mit den Bädern in Schinznach, Bad Zurzach oder Rheinfelden.»
Angst kann sich im Gegenteil vorstellen, dass ein solches Becken für den Bäder-Standort ein einzigartiges Angebot mit starker traditioneller Ausstrahlung sein könnte. Angst nennt als Beispiel die Stadt Bern, die für die kostenlosen Flussbäder an der Aare bekannt sei. «Mit einem für jedermann zugänglichen Becken würden wir sozusagen das Signal in die Welt schicken: Kommt nach Baden, jede und jeder findet hier etwas Passendes zum Baden.»
Gefallen an einem öffentlichen, frei zugänglichen Bad würde auch Andrea Schaer finden. Sie ist Autorin des Bäderkapitels in der Badener Stadtgeschichte und betreut seit Jahren für den Kanton das Bäderprojekt und kennt sich mit der Materie bestens aus. «Solche Bäder gehörten bis ins 19. Jahrhundert zur Geschichte der Bäderkultur in Baden. Die Bäder in den Hotels waren den gut betuchten Gästen vorbehalten, doch auch die einfache Bevölkerung sollte Zugang zum Thermalwasser haben.» Auf Badener Seite sind das «Freibad» vor dem «Schweizerhof» – auch «Burgerbad» genannt – und das «St. Verenabad» bekannt.
Letzteres beziehungsweise dessen Ruinen würden sich unter dem Kurplatz, gleich beim Eingang des ehemaligen Hotels Verenahof befinden. «Es liegt ziemlich genau dort, wo das «Bagno Popolare» diesen Herbst anlässlich des «Fantoche» erstellt wurde», sagt Schaer. Im Rahmen der neuen Pläne im Bäderquartier mit Thermalbad und Klinik für Prävention und Rehabilitation habe man auch diskutiert, ob und wie man das ehemalige St. Verenabad wieder sichtbar machen könnte. «Man hat die Idee schliesslich wieder verworfen, weil deren Umsetzung nicht ganz einfach gewesen wäre.» Erstens befinde sich das ehemalige Bad genau vor dem künftigen Haupteingang der Klinik. Und zweitens liege die Ruine in einer ungünstigen Tiefe von knapp zwei Metern. «Würde sie noch tiefer liegen, könnte man sie unterirdisch zugänglich machen. Doch so würde ein grosses Loch resultieren.» All diese Faktoren hätten künftige Nutzungen zu stark beeinträchtigt.
Grundsätzlich findet es Schaer gut, dass mit dem Ellbogenbad, der Trinkhalle und der Thermalbank das Thermalwasser der Bevölkerung kostenlos zugänglich gemacht wird. «So schön die Idee eines öffentlichen Gratis-Bads auch ist, realisierbar ist sie wohl kaum, man bedenke nur die Sicherheitsaspekte oder die Kosten für den Unterhalt.»
Auch bei der Stadt Baden ist man einer solchen Idee nicht grundsätzlich abgeneigt. Die zuständige Projektleiterin Katrin Reimann von der Abteilung Planung und Bau gibt aber zu bedenken: «Die Stadt Baden besitzt nur einen kleinen Teil des gesamten Badener Quellwassers. Mit anderen Worten: Um eine solche Idee zu realisieren, müssten weitere Quellenbesitzer mit ins Boot springen beziehungsweise Thermalwasser zur Verfügung stellen.» Die Stadt sorge mit dem Ellbogenbad, dem Trinkbrunnen und der Thermalbank heute schon dafür, dass die Bevölkerung kostenlos vom Thermalwasser profitieren könne. Eines ist für Reimann klar. «Sollte ein solches Angebot je realisiert werden, dann müsste es
so ausgestaltet sein, dass es für alle erträglich ist.» Dabei denkt sie wegen
des nicht ganz geruchsfreien Thermalwassers auch an die Anwohner und Gewerbetreibenden im Bäderquartier.