Die Gemeinde Bellikon feiert in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen: 950-jähriges Bestehen und 700 Jahre Schloss. Meist ging es im Dorf friedlich zu und her, zu Streitigkeiten kam es aber zwischen dem Schlossherr und dem Bischof.
Aufsässige Schlossherren, wütende Müller oder der beherzte Einsatz der Belliker Feuerwehr in Künten: In den letzten 950 Jahren ist einiges passiert in Bellikon.
Josef Monn, Präsident des Museumsvereins Bellikon, kennt die wichtigsten und spannendsten Episoden aus der Geschichte des Dorfes und des Schlosses: «Zum ersten Mal wird Bellikon 1064 in der Chronik ‹Acta Murensia› erwähnt», erzählt Monn.
Die Chronik berichten über die Gründung, Aufbau und Reform des um 1027 gegründeten Benediktinerklosters Muri. Unter ihren Besitztümern befand sich auch Bellikon.
Beschwerde beim Landvogt
Das Zusammenleben zwischen Bellikon und den umliegenden Dörfern gestaltete sich meist friedlich. Kleinere Streitigkeiten gab es 653, als der Belliker Schlossherr Johannes Balthasar Schmid eine Mühle und eine Schmitte errichten liess.
Ein Künter Müller und ein Stetter Schmied beklagten sich beim Landvogt in Baden, dass die Mühle und die Schmitte in Bellikon ihrem Geschäft schaden würde. Ihre Klage blieb erfolglos.
Zwei Jahrhunderte später zeigte sich, wie gut die nachbarschaftliche Hilfe funktionierte: Als in Künten 1866 das halbe Dorf niederbrannte, kamen die umliegenden Feuerwehren zu Hilfe.
Am 22. Februar steht ein Jubiläumstermin an: Das Motto der diesjährigen Fasnacht lautet «Rock a Belli in BelliHill», wie das Belliker Fasnachtskomitte mitteilt. Das Motto ähnelt dem Namen des dreitägigen Dorffestes «BelliHills», das vom 29. bis 31. August stattfindet. Am Freitag beherrscht der Schlager die Open Air Bühne, am Samstag Rock und House – ganz nach dem Motto «Stadt trifft Land». Besonders stolz sei man auf den Act am Samstag, der von internationalem Bekanntheitsgrad sei, wie das Dorffest-OK mitteilt. Mehr werde aber erst am 28. Februar via Facebook verraten.
Insbesondere die Belliker Feuerwehr wird in Aufzeichnungen erwähnt: Sie wird dafür gerühmt, verhindert zu haben, dass die Flammen nicht auch noch den Rest des Dorfes zerstörten.
Bis in den 1960er-Jahren blieb Bellikon vorwiegend ein Bauerndorf. Damals lebten 430 Einwohner im Dorf. Ab 1965 kam der grosse Aufschwung: «Die schöne und zentrale Lage brachte Neuzuzüger ins Dorf», sagt Monn.
Und 1974 eröffnete die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) die Rehabilitationsklinik. «Am Anfang war die Skepsis gross. Manche hatten Angst um ihre Aussicht, andere – insbesondere der Schlossherr – befürchteten eine Übermacht der Suva.»
Einige Anwohner seien entschädigt worden und mit der Zeit hätten sich die Vorbehalte gelegt. Heute leben rund 1600 Menschen in Bellikon – fast viermal so viel wie vor 60 Jahren.
Schlossherr verärgerte Bischof
Nicht ganz so alt wie das Dorf ist wohl das Schloss Bellikon. «Wann es erbaut wurde, weiss man nicht genau», sagt Monn. «Sicher ist, dass die Familie Krieg – eine einflussreiche Patrizierfamilie aus Zürich – das Schloss 1314 erwarb.»
Dies sei die erste gesicherte Jahreszahl, weshalb man dieses Jahr als «Geburtsjahr» ausgewählt habe.
Die Schlossherren hatten die niedere Gerichtsbarkeit inne, also das Recht, kleinere Streitigkeiten zu schlichten. «Sie setzten sich über Jahrhunderte für das Wohl des Dorfes und der Region ein», erzählt Monn.
So auch die Familie Schmid, die das Schloss 1640 kaufte. Sie brachte sogar den Bischof in Konstanz sowie die Pfarrer in Rohrdorf und Baden gegen sich auf: Schmid wollte 1676 für Bellikon eine Kirche bauen – bis anhin mussten die Dorfbewohner den beschwerlichen Weg zu Fuss nach Rohrdorf auf sich nehmen.
Das Material lag bereit, der Bau hätte jederzeit losgehen können. Die neue Kirche stiess aber dem Pfarrer in Rohrdorf sauer auf, gehörten doch die Belliker zu seinen Schäfchen.
Er intervenierte mit dem Pfarrer aus Baden erfolgreich beim Bischof in Konstanz. So durfte Schmid nur eine Kapelle bauen. Immerhin durften Kinder und älteren Menschen im Winter die Messe in der Belliker Kapelle besuchen.
Auch für den ersten Schulunterricht sorgten die Schlossherren: Ein Bruder von Johannes Balthasar Schmid war Kapuzinerpater und unterrichtete im 17. Jahrhundert die Dorfbevölkerung nicht nur in Religion, sondern auch im Lesen, Schreiben und Rechnen.
Eigentlich eine Sensation, wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit die Bildung vor allem von den Klöstern ausging. «Dahinter steckte ein sozialer Gedanke – Schmid wollte die Dorfbevölkerung fördern», erzählt Monn.
Heer renovierte das Anwesen
Nach der Französischen Revolution 1789 ging das Schloss in den Besitz der Gemeinde über, und die Familie Schmid verlegte den Wohnsitz zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Schloss Böttstein. 1907 kaufte der berühmte Seidenindustrielle Henry Heer das Schloss.
«Eigentlich erst nach den Renovationen durch Heer verdiente das Anwesen die Bezeichnung ‹Schloss›», erzählt Monn, «vorher war es vielmehr eine Burg». Unter anderem baute der Pferdeliebhaber eine Reithalle und renovierte die Kapelle.
Als Mitbegründer des Auto-Salons in Genf 1905 brachte er das Automobil nach Bellikon: «Er war sicher einer der Ersten, der am Berg mit dem Auto vorfuhr.» Nach mehreren Handänderungen ist das Schloss heute privater Wohnsitz der Familie Ellinger.