Dorffest
975 Jahre Wettingen: Die Grünen fordern ein klimaneutrales Jubiläum

Die grüne Welle erfasst auch Wettingen: Die Fraktion SP/WettiGrüen reicht dringliches Postulat für das 975-Jahr-Fest «Atmosphäre» ein. Wer Strom aus Photovoltaikanlagen ins Netz der Badener Regionalwerke speist, soll bereits ab 1. Januar besser entschädigt werden.

Andreas Fretz
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Illustration «Die Grüne Welle rollt unaufhaltsam».

Illustration «Die Grüne Welle rollt unaufhaltsam».

CH Media

Im August 2020 feiert die Gemeinde Wettingen ihr 975-jähriges Bestehen. «Atmosphäre» heisst das grosse Fest im Jubiläumsjahr, das während zehn Tagen sämtliche Generationen und die Region zusammenbringen soll.

«Ohne Klima keine Atmosphäre» lautet nun der Titel eines dringlichen Postulats, das die Fraktion SP/Wetti–Grüen kürzlich eingereicht hat und das an der Einwohnerratssitzung vom 12. Dezember behandelt wird.

Im Vorstoss wird der Wettinger Gemeinderat beauftragt, zusammen mit dem OK des Jubiläumsfests wirksame Massnahmen zu ergreifen, damit «Atmosphäre» klimaneutral durchgeführt werden kann. Im Vordergrund müsse die konkrete Reduktion der CO2-Belastung stehen.

Die Fraktion SP/WettiGrüen ist überzeugt: Die aktive Umsetzung von Klimamassnahmen würde nicht nur dem Festmotto «Atmosphäre» Ehre machen, sondern auch beim Zielpublikum auf breite Resonanz stossen. Als Beispiel nennen die Postulanten das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest vom vergangenen Sommer in Zug, welches erstmals klimaneutral durchgeführt wurde.

«Die Postulanten rennen mit ihrem Antrag offene Türen ein», sagt Paul Koller, OK-Präsident von 975 Jahre Wettingen. «Ein Fest dieser Grössenordnung muss sich zu diesem Thema Gedanken machen.» Bereits als im letzten Jahr die konkrete Planung begonnen habe, sei die Ökologie weit oben auf der Prioritätenliste gestanden.

Die sechs Forderungen der Postulanten

Doch decken sich die Massnahmen der Organisatoren mit den Vorstellungen und Forderungen der Postulanten? Diese halten sechs mögliche Massnahmen fest:

  • Das Festgelände ist ideal mit dem ÖV sowie per Fahrrad und zu Fuss erreichbar. Die Anreise mit dem ÖV ist im Festpass inbegriffen.
  • Das Fest verzichtet auf einen Festführer aus Papier und setzt stattdessen auf digitale Technologien.
  • Das Fest führt ein Depotkonzept ein, um die Abfallmenge zu verringern und die Wiederverwertung zu erhöhen.
  • Das Fest unterstützt Projekte, um die verursachten CO2-Emissionen lokal und global zu kompensieren.
  • Das Fest bietet sich als Plattform für die Propagierung umweltbewussten Handelns an.
  • Das OK motiviert die Vereine aktiv für Klimaschutzmassnahmen.

Koller hält zwei Dinge grundsätzlich fest: Der beste Abfall sei der, der gar nicht erst anfalle. Und ob eine Massnahme realistisch sei, hänge immer auch von den finanziellen Möglichkeiten ab. Die erste Forderung des Postulats ist bereits umgesetzt. Der ÖV ist im Festpass und im Tagespass inbegriffen. Mit Zusatzangeboten wie Nachtbussen entstehen den Organisatoren Kosten von 400'000 bis 500'000 Franken.

Nicht verzichten will das OK hingegen auf einen Festführer in Papierform. «Das Festangebot soll für alle Generationen zugänglich sein», sagt Koller, zudem gebe es bereits Verträge mit Sponsoren. Auch würde die Zeit knapp, um eine App zu entwickeln. «Und auch eine App verbraucht Energie», so Koller. Das OK lege die Höhe der Auflage und die Papierqualität sicher auch nach ökologischen Gesichtspunkten fest.

Und die weiteren Massnahmen? Lassen sich etwa so zusammenfassen: Aludosen und Glasflaschen sind auf dem Festgelände nicht zugelassen, stattdessen kommen Mehrwegbecher und PET zum Einsatz. Für jeden Betreiber steht in unmittelbarer Nähe seines Stands ein Abfalltrennsystem bereit. Der Grossteil des Abfalls soll also vom Betreiber separiert werden und gar nicht erst beim Besucher landen.

Zudem wurde ein Konzept entwickelt, um Vereine und Betreiber zu ökologischem Handeln zu motivieren. Wer kein Plastik oder Einweggeschirr verwendet, dafür Mehrweggeschirr einsetzt, muss weniger von seinem Umsatz abgeben. Standbetreiber müssen maximal 18 Prozent ihres Umsatzes an die Organisatoren abgeben. Wer ökologisch handelt, muss ein Prozent weniger abgeben.

Kein Feuerwerk, keine Heliflüge, kein Oldtimer-Corso

Nicht geplant ist derzeit, dass CO2-Emissionen kompensiert werden oder dass das Jubiläum als Plattform für umweltbewusstes Handeln genutzt wird. Koller stellt aber in Aussicht: «Falls wir Gewinn erwirtschaften, kann der Einwohnerrat beschliessen, dass dieser zum Beispiel der Stiftung Myclimate zufliesst.» Am Schwingfest in Zug erfolgte die Kompensation über eben diese Stiftung. Verzichtet wird während des Fests zudem auf ein Feuerwerk, auf Helikopterflüge und auf ein Old­timer-Corso.

Etwas befremdet zeigt sich Koller darüber, dass der politische Vorstoss von SP/WettiGrüen erst ein halbes Jahr vor dem Fest erfolgt. «Wir im OK haben uns längst diese Gedanken gemacht», sagt er. Die geschätzten Mehrkosten für die ökologische Festführung inklusive ÖV-Angebot beziffert er mit rund 630'000 Franken. Das Budget des Festes beträgt 2,8 Millionen Franken.

Stadtrat will Ideen für grüne Energiepolitik sofort umsetzen

So schnell kann es gehen: Im Sommer genehmigte der Badener Einwohnerrat mehrere Vorstösse für eine nachhaltigere städtische Energiepolitik. Nun war es am Stadtrat, die Ideen zu prüfen – er will zwei davon bereits ab Januar umsetzen. Der Einwohnerrat wird im Dezember über die konkreten Vorschläge abstimmen und dabei unter Beweis stellen, ob es ihm mit dem Ja für eine grünere Klimapolitik im August wirklich ernst war.

Die erste Massnahme betrifft die Vergütung von Solarstrom. Die Forderung des inzwischen zurückgetretenen SP-Einwohnerrats Martin Groves lautete: Strom, der von kleineren oder mittleren Photovoltaikanlagen produziert und ins Netz der Regionalwerke gespeist wird, soll besser vergütet werden als bisher.

Groves begründete seinen Vorstoss damit, dass es sich aktuell nicht lohne, Photovoltaik-Anlagen zu betreiben, deren Produktion überwiegend ins Netz eingespeist werde. Denn die Vergütung sei in Baden mit rund 5 Rappen pro Kilowattstunde unterdurchschnittlich und müsse auf rund 7,5 Rappen erhöht werden. Dadurch könnten Hausbesitzer motiviert werden, Photovoltaikanlagen zu bauen und Strom ins Netz zu speisen, so die Idee von Groves.

Der Stadtrat und die Regionalwerke lehnen es zwar ab, die Statuten zu ändern, wie es der Vorstoss ebenfalls verlangt hatte. Sie schlagen aber vor, die Vergütung anzupassen: Ab 1. Januar soll der Rücklieferpreis aus Photovoltaik rund 7 Rappen betragen. Bis im Jahr 2021 dürfte der Wert aufgrund der tendenziell steigenden Energiepreise auf die geforderten 7,5 Rappen ansteigen, hält der Badener Stadtrat in seiner Antwort auf das Postulat fest.

Biogas aus Dänemark – macht das Sinn?

Auch das Anliegen von Benjamin Steiner vom linksliberalen Team Baden stösst beim Stadtrat zumindest teilweise auf Anklang. Steiner forderte, der Anteil von Biogas soll für alle Heizgaskunden der Regionalwerke standardmässig mindestens 20 Prozent betragen. Denn Biogas sei im Gegensatz zu konventionellem Erdgas weitgehend CO2-neutral und fördere die regionale Wertschöpfung.

Auch dieser Vorschlag soll bereits ab 1. Januar umgesetzt werden, schlägt der Stadtrat vor: Das «Basisprodukt Gas» der Regionalwerke enthält demnach vorerst im ganzen Versorgungsgebiet 10 Prozent Biogas. Eine Steigerung des Biogasanteils auf die geforderten 20 Prozent sei bis spätestens 2026 vorgesehen.

In einem ersten Schritt werde vorwiegend Biogas aus Dänemark verwendet, heisst es im Papier weiter. Christian Vogler sagt dazu: «Natürlich wäre es aus rein ökologischer Sicht besser, Biogas aus der Region oder aus der Schweiz zu verwenden. Die erforderlichen Mengen aus der eigenen Produktion sind aber kurzfristig nicht verfügbar.

Zudem ist Biogas aus Mittel- und Nordeuropa günstiger.» Bis 2026, wenn der Biogasanteil schrittweise auf 20 Prozent erhöht wird, soll aber ein Teil davon aus regionaler Produktion stammen, hält der Stadtrat fest.