Startseite
Aargau
Baden
Halten sich die Menschen an die neuen Auflagen, kann ein Abend auf der Gasse genauso gut sein wie vor der Pandemie. Ein Streifzug durch Baden.
Nach monatelangem Abstandhalten und Anstossen im kleinsten Kreis scheint dieser laue Sommerabend perfekt für einen Streifzug durch die Badener Innenstadt. Den Feierabend haben die meisten schon vor Stunden hinter sich gelassen. Das Wochenende steht kurz bevor, entsprechend ausgelassen ist die Stimmung auf der Gasse.
An unserem ersten Stopp, der «Time»-Bar, ist draussen kein Tisch mehr frei. Bei einem kurzen Blick ins Innere sehe ich zwei Polizisten der Stadtpolizei Baden. An der Theke zeigt ihnen eine Angestellte einen dicken Ordner mit hunderten weissen Zetteln. Den ganzen Abend lang werden wir die beiden Beamten immer wieder antreffen. Sie kontrollieren das, was der Kanton vor einer Woche eingeführt hat: Ob die Barbetreiber die Kontaktdaten ihrer Gäste wirklich aufnehmen. Sie tun es freundlich und mit einem Lächeln. Schliesslich halten sich die Bars der Bäderstadt an die Verfügung. Eine behördliche Schliessung will niemand riskieren.
Wir beschliessen, vorerst in die nächste Bar zu ziehen. In der weiten Gasse bestellen wir draussen an einem Stehtisch der «Walter»-Bar einen alkoholfreien Drink und ein Glas Weisswein. Inhaberin Nicole Brack bringt uns die kühlen Getränke und huscht von einem Tischchen zum nächsten.
Die Bar ist gut besucht. Aus dem Inneren erklingt Musik, eine Besucherin mimt den Song nach und lacht. Alles beim Alten, denke ich, ehe die Stadtpolizisten auf ihrem Weg in die nächste Bar hinter uns durchlaufen. Die Ausweispflicht habe in der ersten Woche bereits zu Diskussionen geführt, sagt Nicole Brack. «Es gab Gäste, die partout ihre Daten nicht angeben wollten. Sie sind dann halt aufgestanden und gegangen.» Auf solche Auseinandersetzungen verzichte sie gerne: «Schliesslich lebe ich hiervon.» Zum Glück seien 80Prozent ihrer Gäste aber Stammgäste und entsprechend verständnisvoll.
Als die Gruppe mit der singenden Frau den Tisch verlässt, holt Barkeeperin Marion Blättler das Desinfektionsmittel und wischt den Tisch gründlich ab. Die nächsten Besucher rücken bald nach.
Wir gehen zurück in die «Time»-Bar. Das Publikum ist hier eindeutig jünger, die Stimmung ausgelassen wie an einem Urlaubsabend. Am Tisch neben uns teilt sich eine Gruppe junger Männer aus der Region einen Viereinhalbliter-Bierturm. Nur einer von ihnen hält ein Corona in der Hand. Ein Joke?, frage ich. «Das ist das Konter-Corona», scherzt er. Schon bevor wir bestellen können, kommt ein Barkeeper und händigt uns den Zettel für die Personendaten aus, ehe er den Ausweis kontrolliert. Eine Sache, die innert weniger Sekunden erledigt ist. Dem Feeling, mit guten Freunden eins trinken zu gehen, tut es nichts ab. Es wird langsam dunkel. Es ist aber einer dieser Abende, an denen man noch lange draussen sitzen könnte, auch wenn man am nächsten Tag früh aufstehen muss. Eigentlich hat sich nicht viel verändert, denke ich erneut. Ich greife in meine Handtasche, um das Portemonnaie herauszuholen. Nebst Hausschlüsseln und einem Pullover für den Heimweg habe ich ein Zehnerpack Hygienemasken dabei. Die neue Normalität, wenn man mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs ist.
Einen letzten Halt machen wir noch. Weit kommen wir allerdings nicht. Im «Mr. Pickwick Pub» wenige Meter weiter ergattert der neuseeländische Barkeeper mit den wilden Locken draussen einen letzten Tisch für uns: Drei Männer rücken näher und geben dafür einen ihrer zwei Tische auf. Die Bodenmarkierungen, das Desinfektionsmittel, die Warnschilder. All diese neuen Dinge fallen zwar auf, rücken aber schnell in den Hintergrund, wenn sich die Gäste an die Auflagen halten.
Und doch ist die Stimmung nicht dieselbe, wie vor Corona, entgegnet mir Benedikt Pabst. Auf dem Brunnenrand vor dem Pub geniesst er ein kühles Bier mit seinem Vater Viktor. Um den Hals herum trägt er eine Stoffmaske, die gerade nicht im Einsatz ist. Beide sind grosse Manchester United Fans und sind hierhergekommen, um das Premier League Spiel zu schauen. Wieso Sie denn nicht drinnen seien, will ich wissen: «Wir führen drei zu null», sagt Benedikt zufrieden.
«Die Stimmung ist definitiv anders als zuvor.» Benedikt greift das eigentliche Thema wieder auf. «Die Menschen sind mehr auf Distanz.» Hier im Pub sei es weniger gedrängt als an anderen Orten. Die Gasse hat sich mittlerweile schon fast geleert. «Jetzt ist es angenehm. Aber am Wochenende ist es rappelvoll», so Viktor Pabst. Beide haben die Covid-App heruntergeladen, «sicher ist sicher», so Sohn Benedikt. Trotz aller Vorsicht wollen sich Vater und Sohn nicht davon abhalten lassen, wieder gemeinsam eins trinken zu gehen. «Ich bin wirklich froh. Während des Lockdowns habe ich das sehr vermisst. Jetzt geniesse ich es richtig», sagt Vater Viktor.
Eine Ausweiskontrolle und das Ausfüllen eines Zettels hindern auch uns kaum daran, diesen gemütlichen Sommerabend auf der Gasse zu geniessen. Corona ist zu einem Teil unserer Gesellschaft geworden. Vom ungebetenen Gast zum Begleiter, mit dem man lernt, umzugehen. Auch im Ausgang.