Simona Hofmann wägt ab: Gerade in unserer beschleunigten Zeit werden gemeinsame Tage des Innehaltens dringend benötigt. Weihnachten schenkt uns diesen lebensnotwendigen Luxus. Ein ernsthaftes «Ja und Nein» zum wichtigsten Fest im Jahr.
Ja:
Mindestens zweimal über den Weihnachtsmarkt schlendern
Das Zuhause mit Stil dekorieren
Handgemachte Zimtsterne knabbern
Den Garten illuminieren
Endlich wieder mal die ganze Familie treffen
Die Christbaumkerzen anzünden
Fondue chinoise mit 16 köstlichen Saucen schlemmen
Viel Alkohol geniessen
Inbrünstig gefühlvolle Weihnachtsklassiker singen
Überraschende und einfallsreiche Geschenke kriegen
Die Mitternachtsmesse besuchen
Aufs Sofa gekuschelt alte «Sissi»-Filme gucken
Romantische Nachmittags-Spaziergänge im Neuschnee
Liebe Freunde einladen
Bis Mittag im Bett lesen
Für einen guten Zweck spenden
Die Silber-Besteck-Erbstücke und die Porzellan-Teller
mit Goldrand auftischen
Dreimal täglich Gourmet-Genüssen frönen
Nein:
Die Nase gestrichen voll haben von olfaktorischen Belästigungen wie Glühwein-Schwaden und Käsefondue-Dünsten
Die ganze Bude mit Weihnachts-Kitsch überladen
Beim Notfallzahnarzt die ausgebissene Plombe ersetzen
Mit Laserlicht-Garten-Deko-Installationen die Nachbarschaft nerven
Nach einer knappen Stunde liegen sich alle in den Haaren
Den Baumbrand mit Löschdecke ersticken
Fondue-chinoise-Saucen-Bouillon-Fleischsaft-Sauereien auf allen Tellern
Viel Alka-Seltzer einnehmen
Ohrenkrebs kriegen beim Weihnachtsliedersingen und Zuhören- Müssen
Selbstgestrickte Woll-Socken und das legendäre Calida-Pyjama auspacken
Als fauler Christ mit der Schwiegermutter die Mitternachtsmesse ertragen
Nur uralte «Sissi»-Filme auf allen Kanälen
Erzwungenermassen durch Matsch und Dreck wandern
Von vielen nicht so lieben Freunden eingeladen werden
Nach 12 Stunden im Bett unsägliche Rückenschmerzen haben
Tonnenweise Spendenbrief-Altpapier entsorgen
Stundenlang antiquiertes, nie gebrauchtes Silberbesteck polieren, von Hand abwaschen und wieder im Keller versorgen
Die angefressenen Pfunde mit viel Schweiss wegtrainieren
Trotz allen bekannten und erlebten Nein -Situationen plädiere ich ganz klar für das Ja , weil ich es liebe, mit meiner Familie im Kerzenlicht tiefe Gespräche zu führen und über Banalitäten zu lachen, mit Freunden bis zur Morgendämmerung zu feiern und mit der Melodie von «O du fröhliche» durch die Badstrasse zu flanieren, um die schönste Weihnachtsbeleuchtung der Schweiz zu geniessen.
Lasst uns zusammen sein! Zum Menschsein gehört das Feiern. Feste verbinden Vergangenheit und Gegenwart, sind gelebte Traditionen und bringen Familie und Freunde zueinander.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!