Heiratswillige Paare reisen sogar aus Australien an, um sich im Badener Tagsatzungssaal trauen zu lassen. Die Stadt liess den Saal im Rathaus für 350'000 Franken erneuern. Nun befindet der Einwohnerrat über die Kreditabrechnung.
Mit dem Tagsatzungssaal ist Baden in die europäische Geschichte eingegangen. Heute reisen Paare aus aller Welt an, um sich im Rathaus das Ja-Wort zu geben. Für 350 000 Franken liess die Stadt den über 600 Jahre alten Saal restaurieren. Am Dienstagabend befindet der Einwohnerrat über die Kreditabrechnung.
Die letzte umfassende Sanierung fand 1914/15 statt. Es gab also einiges zu reparieren. So mussten Risse, verwurmte oder abgebrochene Stellen an der Wandtäfelung ausgeleimt und geflickt werden. Die ganze Wandverkleidung wurde mit Seifenwasser geputzt und mit Leinöl behandelt.
Die gesprungenen Wappenscheiben im Tagsatzungs- und Stadtratssaal wurden gereinigt, die Bleinetze in den Scheiben konserviert und stabilisiert. An einigen Stellen musste das Glas, die sogenannten Butzen, ersetzt werden.
Bei den Scheiben handelt es sich aber nicht um die Originale. Diese wurden wegen Geldknappheit 1812 verkauft – abgesehen von der Stadtscheibe.
Ursprünglich sah man vor, die Goldoberfläche im Saal komplett neu zu vergolden. Während der Arbeiten entschied man sich aber, die Goldschicht nur zu konservieren und die abgeblätterten Stellen zu ergänzen. Man verzichtete auch darauf, die bestehenden Stehleuchter zu ersetzen.
Die Restaurierung fiel deshalb fast 28 Prozent oder 135 000 Franken günstiger aus als 2011 budgetiert. Die Einwohnerräte stimmten damals einem Kredit von 485 000 Franken zu.
Über den Tagsatzungssaal wurde schon gesagt, er sei wichtiger als die Rütli-Wiese. Nicht ohne Grund: Bis 1712 kamen hier die Standesvertreter der Eidgenossenschaft immer nach Pfingsten zusammen. Die Landvögte legten ihre Rechnungen vor oder verhandelten über Marktrechte.
1714 standen die Bäderstadt und der Tagsatzungssaal im Fokus der europäischen Politik. Marschall de Villars und Prinz Eugen von Savoyen unterzeichneten hier den letzten Friedensvertrag und beendeten so den Spanischen Erbfolgekrieg.
Zwar mussten sie nach den Friedensschlüssen in Utrecht und Rastatt nicht mehr viel verhandeln. Trotzdem dauerte der Anlass drei Monate – und versetzte die Stadt in dieser Zeit in einen Ausnahmezustand.
Nachher drückten im Tagsatzungssaal Kinder die Schulbank. Ab 1915 tagte das Bezirksgericht im Saal, seit 1990 finden Empfänge und rund 350 Ziviltrauungen pro Jahr statt. Unter den Heiratswilligen waren auch schon Paare aus Japan, Australien, Brasilien oder den USA.