Was Sie über den «Frieden von Baden» wissen müssen, der dem Spanischen Erbfolgekrieg vor 300 Jahren ein Ende setzte.
Fragen und Antworten zum Sommer 1714, als ganz Europa nach Baden blickte, wo die Mächtigen über den Frieden verhandelten.
Was wird verhandelt?
Der Friede von Baden beendete den Spanischen Erbfolgekrieg, der eine Vielzahl von Schlachten bezeichnet, die zwischen 1701 und 1714 in den südlichen Niederlanden, Süddeutschland, Italien, Spanien, in den amerikanischen Kolonien und auf hoher See geschlagen wurden. Es ging um das weltweite Herrschaftsgebiet des letzten spanisch habsburgischen Königs und um die Wirtschaftsmacht in den Kolonien.
Die Eidgenossenschaft war zu jener Zeit ein komplexes Bündnissystem, das vielfach mit den europäischen Mächten vernetzt war. Für die Eidgenossen waren die «Fremden Dienste», das Söldnerwesen, einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige: Die europäischen Mächte benötigten einen konstanten Nachschub an Soldaten. Familien der Schweizer Oberschicht führten Militärunternehmen und rekrutierten Söldner für die Kriegsparteien. So blieb es nicht aus, dass sich zuweilen eidgenössische Soldaten auf den Schlachtfeldern gegenüberstanden.
Warum in Baden?
Nach den Verhandlungen in Utrecht und Rastatt fehlte noch die Unterschrift des Kaisers des Deutschen Reiches. Der Abschluss der Vertragsunterzeichnungen sollte auf «unberührtem» Schweizer Boden stattfinden. Der Kaiser liess dem französischen König Ludwig XIV. die Wahl zwischen Baden, Frauenfeld und Schaffhausen. Der «Sonnenkönig» entschied sich für die katholische Tagsatzungsstadt Baden. Zürich und Bern sahen diese Entscheidung zunächst nicht gern: Niemand sollte die Macht der reformierten Orte infrage stellen.
Baden hatte neben der langjährigen Erfahrung als Tagungsort ein gutes «Rahmenprogramm» zu bieten: Bäder, Jagdwald, stilvolle Residenzen und Gastwirtschaften, Theater und eine schöne Umgebung für Spazierfahrten. Die Stadt sollte sich während der Kongressmonate in ein Festgelände verwandeln. Diese «Divertissements» waren für die Verhandlungen von zentraler Bedeutung. Etwas zwangloser boten sie Raum für Gespräche und Machtspielchen, die die offiziellen Verhandlungen ergänzten. Auch hier galten zeremonielle Regeln: Wer besuchte wen, wer grüsste zuerst, wer sass wo – das Protokoll musste genauestens beachtet werden – spiegelte es doch die aktuellen Machtverhältnisse unmissverständlich wider. Hier machten Frauen und Männer gleichermassen Politik: Der jeweilige gesellschaftliche Rang sowie die richtigen Netzwerke waren entscheidender als das Geschlecht.
Für die ständige Wohnbevölkerung von Baden – damals schätzungsweise 1500 Personen – bedeutete dies Ausnahmezustand: Es mussten standesgemässe Residenzen für die hochrangigen Botschafter und Vertreter gestellt werden und ihre unzähligen Begleitpersonen untergebracht, versorgt und unterhalten werden. Wirtschaftlich bot dies für die kleine Stadt eine grosse Chance.
Wer verhandelt?
Ein Badener hat minuziös Tagebuch geführt. Am 29. Juni schreibt er, dass am Abend zwei Damen von Welt in der Kutsche des Grafen du Luc spazieren gefahren sind: Madame de Saint-Contest et Martinville und Madame de Bergomi, gefolgt von Exzellenz von Seilern im eigenen Wagen. Beiden Wägen sind 6 Rappen vorgespannt. Am selben Abend treffen auch der Gesandte des Bistums Speyer und der schwedische Gesandte, ein Regierungs- und Staatsrat, in Baden ein: Letzterer wird im Hinterhof der Grossen Bäder logieren.
Auf jenen 29. Juni fällt das Fest des Heiligen Petrus und Paulus und daher findet keine offizielle Konferenz statt. Doch die Verhandlungen werden an anderen Orten und in anderer Zusammensetzung weitergeführt: bei der Kutschfahrt, beim Spazierengehen auf dem Mätteli oder beim Empfang der neuen Gesandten. Der Autor des Tagebuches, Caspar Joseph Dorer, 41 Jahre alt und Stadtfähnrich, sitzt im Grossen Rat von Baden, vergleichbar mit dem heutigen Parlament. Das Tagebuch verfasst er wahrscheinlich im Auftrag des Schultheissen oder des Kleinen Rats. Er beschreibt darin nicht nur die über drei Monate dauernden Verhandlungen, sondern auch die Empfänge, Feste und Theateraufführungen – alles, was ihm wichtig scheint.
Wie beispielsweise jene abendliche Spazierfahrt der beiden adligen Damen, die – wie schon tags zuvor – in der Kutsche des Grafen du Luc Platz nehmen, während der Reichsgraf von Seilern im eigenen, fast leeren Wagen hinterherfährt. Die Damen haben sich aus gutem Grund für die Kutsche des französischen Grafen entschieden: Der 61-jährige du Luc ist erster Bevollmächtigter des französischen «Sonnenkönigs» Ludwig XIV. und bereits seit sechs Jahren als Botschafter in der Schweiz mit Sitz in Solothurn. Der aus der Provence stammende Edelmann hat sich in Baden frühzeitig die beste Residenz gesichert: das Haus der bernischen Tagsatzungsgesandten, genannt Bernerhaus, an der Weiten Gasse. Der Reichsgraf von Seilern dagegen ist mit seinen 39 Jahren zwar bereits zweiter Friedensunterhändler des Kaisers, doch insgesamt noch recht unerfahren. Er residiert in Baden im Roten Turm.
Die Kutschenfahrt mit dem französischen Grafen bringt aus der Sicht der beiden Damen wohl ein grösseres Renommee. Vermutlich versprechen sie sich darüber hinaus brisantere Informationen und vielleicht auch eine Gelegenheit, die Verhandlungen ihrer Ehemänner in freierer Runde fortzuführen. Madame de Saint-Contest et Martinville ist die Gattin des zweiten Bevollmächtigten Frankreichs, und Madame de Bergomi die Frau des Botschafters von Modena.
Und heute?
Die Verhandlungen von Utrecht-Rastatt-Baden sind immer noch spürbar. Bis heute stellt die Idee eines europäischen Mächtegleichgewichts ein Leitziel der europäischen Politik dar. Bis heute bleibt die Halbinsel Gibraltar, die damals England zugesprochen wurde, ein politischer Zankapfel zwischen England und Spanien. Bis heute herrschen Frieden und Krieg zugleich, und parallel werden Verhandlungen geführt, wie damals unter Männern und Frauen – in offiziellen Konferenzen wie beim anschliessenden Apéro.
*Die Autorin ist Historikerin und Mediatorin. Die Rolle von Frauen in der Diplomatie ist Thema ihres Buches «Verhandeln in Briefen. Frauen in Aussenbeziehungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts», Köln/Wien/Weimar: Böhlau 2013.