Mit „Baden hat genug“ erlebt die Theatertrilogie zum 200-Jahr-Jubiläum einen fulminanten Start.
Ganz schön steil sind sie, die steinernen Wendeltreppen im Landvogteischloss. Im zweiten Stock warten immerhin Stühle – aber Obacht – mit dem Ausruhen darauf wird nichts. Vielmehr sind aufmerksames Zuhören und Zuschauen angesagt. Denn zwischen einer hübschen kleinen Kunst, einem antiken Tisch und Stühlen, einem kleineren Tisch mit Zinnkanne und – Bechern wird dem Publikum auf ebenso spannende wie unterhaltsame Weise vor Augen geführt, wie 1819 die Trennung von Baden und Ennetbaden zustande gekommen war.
Es steht also das 200-Jahr-Jubiläum an und Ennetbaden feiert. Im Sommer mit einem grossen Dorffest und über das Jahr verteilt mit einer Theater-Trilogie, intiiert und geleitet von den unverwüstlichen einheimischen (Amateur-) Theatermachern Ruth und Röbi Egloff. Eröffnet wird das kulturelle Dreigespann mit dem Vorspiel «Baden hat genug», das am Freitagabend im Landvogteischloss Premiere feierte.
Korrupter Ammann
Man schreibt das Jahr 1819, es ist Frühling und der Stadtrat von Baden trifft sich zu einer ausserordentlichen Sitzung. Die Badener wollen das in ihren Augen hässliche, vor allem aber mausarme Ennetbaden, den «Klotz,», «Kropf», die «Eiterbeule» – loswerden und einen entsprechenden Antrag nach Aarau schicken. Treibende Kraft ist Stadtammann Baldinger (Francesco Fiordeponti). Er ist ehrgeizig, intrigant, manipulativ und schreckt weder vor Erpressung noch vor Korruption zurück. Kurzum – er vereint alles, was vereinzelt gewissen heutigen Politikern nachgesagt – oder angedichtet – wird.
Der Auftritt des Stadtrates wird vom Weibel (Bruno Kocher) militärisch angekündigt, und kaum hat Baldinger das Wort ergriffen, ist der Zuhörer mittendrin im verbalen Kleinkrieg zwischen jenen dort oben links und denen da unten rechts der Limmat. Heissa, da fliegen die Fetzen, ist das Vokabular reich an Schimpfwörtern von «Tubel» bis «Hoseschiisser»; da wird getrickst und gelogen, dass dem Publikum Hören und Sehen vergehen könnte, wäre es nicht höchst vergnüglich, diese Querelen und Machtspiele als Aussenstehender zu verfolgen. Zu erkennen, dass Stadtrat Dorer (Ernst Wenger) unter dem Pantoffel seiner Gattin (Christina Kraushaar) steht; zu erleben, wie dem einzigen Ennetbadener Stadtrat Wetzel (Andreas Schifferle) vor lauter Rage der Kopf zu platzen droht. Während Stadtrat Herzog (Willy Nabholz) sich in Zurückhaltung übt und Advokat Vögtlin das Honorar weitaus wichtiger ist als der Erfolg, scheint der Stadtschreiber (Daniel Trüssel) ein Zwillingsbruder von Sekretär Wurm aus Schillers «Kabale und Liebe» zu sein.
Mit Fiktion angereichert
Der bekannte Freiämter Autor Paul Steinmann hat mit «Baden hat genug» ein wahres Schmuckstück geschrieben, in dem sich belegte Geschichte und Fiktion auf wunderbare Weise ergänzen. In dem – nebst Anspruch und Spannung – auch Humor und Ironie nicht zu kurz kommen. Unter anderem sorgen dafür die mitreissende Figur der Witwe Gubler (Magdalena Kaufmann) und deren Magd (Martina Krucker) mit ihren höchst amüsanten Auftritten. Steinmanns Dialoge vermitteln ebenso historisches Wissen, wie sie charakteristische Eigenschaften der Figuren witzig und spritzig auf den Punkt bringen.
Dazu leisten Regie, Darsteller, Kostüme und Frisuren einen massgeblichen Beitrag. Dem Deutschen Florian Oberle ist es als Regisseur nicht nur grossartig gelungen, die sehr begrenzte Spielfläche ideal zu nutzen, sondern vor allem auch, aus den Darstellerinnen und Darstellern optimal herauszuholen, was an Talenten in ihnen steckt. Und das ist viel, sehr viel. Oberle hat die sieben Männer und drei Frauen spürbar an der «langen Leine» gelassen, wodurch sich jede und jeder mitreissend entwickeln konnte. So erlebt das Publikum eine theatralische Sternstunde.
Weitere Vorstellungen im Landvogteischloss: Freitag, 10., und 17. Mai jeweils um 19 Uhr; Samstag, 11., und 18. Mai jeweils um 15 Uhr, 17 Uhr und 19 Uhr; Sonntag, 12. Mai um 11 Uhr.