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Ende der Sechzigerjahre veränderte sich die Schweiz rasant. In der Sonderaustellung «Love, Peace und Frauenstimmrecht» des Historischen Museums Baden erzählen Zeitzeugen Badener Kantischülern davon.
Vor gut 50 Jahren lehnte sich die Schweizer Jugend gegen die bürgerliche Spiessigkeit auf, und die Schweizer Frauen erhielten endlich das Stimmrecht. Die Sonderausstellung «Aufbruch! – Love, Peace und Frauenstimmrecht» des Historischen Museums Baden verleiht Einblicke in diese bewegte Zeit in der Kleinstadt Baden. Am Donnerstag trafen sich die Klasse G2K der Kantonsschule Baden, acht Zeitzeugen und Zeitzeuginnen sowie interessierte Gäste zu einem «Sit-in», einer damals üblichen Diskussionsrunde, die sitzend stattfand.
Der Rundgang durch die Ausstellung startet in einer klassischen Fünfzigerjahre-Küche, inklusive Vorhang mit Blumenmuster. Nach der Küche folgt ein Raum voller Litfasssäulen. Jede Säule behandelt politische und gesellschaftliche Forderungen aus der damaligen Zeit am Beispiel von Baden.
Die Gespräche in den kleinen Kreisen, die sich um die Zeitzeugen bei den Säulen bilden, sind angeregt. So diskutieren die Schüler mit Hans Zbinden, ehemaliger Nationalrat, Schulinspektor und Pädagoge, über die damaligen Erziehungsmethoden. «Wenn eine Lehrperson heute so auftreten würde, hätte sie keine Chance», sagt Zbinden.
Auch Martha Wielands Minirock-Geschichte bannt das Publikum. Martha Wieland kam damals gerade aus London zurück. Wieland schildert, wie sie in Baden die Blicke auf sich zog, weil sie mit kurzem Rock herumlief. «Ich kam topgestylt aus London zurück, doch Baden war noch nicht bereit dafür», so Wieland. Alte Damen hätten hinter ihr auf den Boden gespuckt. Auch neue Wohn- und Beziehungsmodelle werden Ende der Sechziger ausprobiert. Freie Liebe und Kommunen sind en vogue. Die Gesellschaft akzeptierte dies aber oft nicht.
Ewa Johnsson Frey etwa verlor ihren Job als Schwesternhilfe im damaligen Spital Baden, weil sie in einer Birmenstorfer Kommune lebte. Sie habe Mühe mit dem damaligen Zeitgeist der Schweizer gehabt. «Ich kam mit 17 aus Schweden in die Schweiz. Für mich war das komisch, da in Schweden bereits nach dem Zweiten Weltkrieg die Frauen arbeiten gingen und mehr Freiheiten genossen», erklärt sie.
Die Kantonsschüler waren vom lebendigen Geschichtsunterricht angetan. So sagt Melanie Häfliger: «Der Austausch war spannend. Man kann sich das heute, vor allem als Frau, gar nicht mehr vorstellen. Die persönlichen Geschichten haben mich bewegt.» Auch Julian Chariatte fand das Sit-in toll: «Ich war überrascht, wie offen man mit den Zeitzeugen sprechen konnte. Ich bin froh, dass ich diesen Kampf nicht austragen musste.»
Ebenfalls zufrieden zeigte sich die Kuratorin Heidi Pechlaner Gut: «Das Experiment ist gelungen. Ich denke, so ein Anlass macht die Ausstellung lebendiger und eröffnet neue Blickwinkel auf diese Zeit.»