Stellungnahme
Als rechtsextrem verdächtigt – Ueli S.: «Es tut weh, so hintergangen zu werden»

Das Haus von Ueli S. wurde im Zuge einer europaweiten Razzia durchsucht, er wurde als Rechtsextremist verdächtigt. Der Badener nimmt Stellung zur Razzia und den Nazi-Vorwürfen. Er erzählt, wie ihn sein ehemaliger Praktikant hintergangen hat.

Yvonne Lichtsteiner
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Informatiker und Tanzlehrer Ueli S. aus Baden räumt Fehler ein: «Ich hätte mich besser über die Person informieren müssen.»

Informatiker und Tanzlehrer Ueli S. aus Baden räumt Fehler ein: «Ich hätte mich besser über die Person informieren müssen.»

Alex Spichale

Er sei gelassen, versuche sich nicht aufzuregen. «Das heisst aber nicht, dass ich keine Emotionen habe», sagt Ueli S. und faltet die Hände in seinem Schoss.

Grund zur Aufregung hätte der 54-jährige Tanzlehrer und Informatiker allemal. Vor zwei Wochen wurde sein Haus in Baden, wo er und sein 91-jähriger Vater wohnen, von der Polizei gestürmt und durchsucht (siehe Box).

Zu den Hintergründen

Am 17. Juli wurde das Haus von Ueli S. (54) und seinem Vater Robert (91) in Baden von der Polizei gestürmt und durchsucht (az 23. 7.). Die Bundesanwaltschaft Karlsruhe (D) vermutete, er stehe mit der Schweizer Neonazi-Terrorzelle «Werwolf»-Kommando in Verbindung. Der Verdacht wurde von seinem ehemaligen Praktikanten, Sebastien N. (26), auf ihn gelenkt. Dieser sitzt im Gefängnis, weil er verdächtigt wird, im Mai 2012 im Zürcher Niederdorf einem Mann in die Brust geschossen zu haben. Seine Gefängniszelle wurde ebenfalls durchsucht, weil er im Verdacht steht, in einer internationalen rechtsextremen Organisation eine tragende Rolle zu spielen. (YL)

Sein Informatikbüro ist ebenfalls durchsucht, Daten und elektronische Geräte sind sichergestellt worden. «Das ist ein grosses Missverständnis», beteuert Ueli S. Schnell wurde klar, dass der Verdacht von seinem ehemaligen Praktikanten, Sebastien N., auf ihn gelenkt wurde.

Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen und Ueli S. steht in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft, er habe stets kooperiert. «Ich habe keine Einschränkungen und ich kann das Land verlassen.»

Er hofft, dass sich das Missverständnis bald aufklären wird, macht sich sorgen um seinen Ruf. Bisher seien die Reaktionen allerdings nur positiv gewesen. «Freunde und Bekannte unterstützen mich und der Arbeit hat es bis jetzt zum Glück nicht geschadet.» Doch die Angst vor Übergriffen sei ständig da.

Im Ausland für Aufruhr gesorgt

Der Fall hat sogar im Ausland hohe Wellen geschlagen: «Spiegel online» betitelt ihn als Rechtsextremisten, als Führungsfigur des mutmasslichen Terror-Netzwerks «Werwolf»-Kommando. Als er den Artikel gelesen hatte, sei er schockiert gewesen. Er distanziert sich von dieser Szene, sei das pure Gegenteil eines Rechtsextremisten, betont er.

Von der politischen Gesinnung von Sebastien N. habe er anfänglich nur bruchstückweise erfahren. Er und Sebastien N. sind sich vor drei Jahren zufällig in einem Kaffee begegnet. Kurz darauf habe Sebastien N. nach einer Stelle im Informatikbüro von Ueli S. gefragt.

Wegen seiner politische Gesinnung hätte er Mühe, eine Stelle zu finden. Er bezeichne sich als Nationalsozialisten, entferne sich aber von radikalen Rechtsextremisten. «Ich konnte mir darunter nicht viel vorstellen», sagt Ueli S. Wie er seine politische Gesinnung im Alltag auslebe, wollte er wissen. Er gehe auf Demonstrationen und Konzerte.

Erst nachdem Ueli S. ihm gekündigt hatte, weil Sebastien N. immer unzuverlässiger wurde und sich längere Zeit in Hamburg aufgehalten hatte, wurde er misstrauisch.

Und als er erfuhr, dass sein ehemaliger Praktikant im Mai 2012 im Zürcher Niederdorf einem Mann in die Brust geschossen hatte, war er schockiert: «Ich habe Sebastien N. immer als anständig und höflich erlebt.»

Ueli S. merkte nichts

Was Fassade war, kann Ueli S. nicht beurteilen. «Ich bin hinters Licht geführt worden und habe es nicht gemerkt.» Während seines Praktikums von Oktober bis Dezember 2011 hatte Sebastien N. freien Zugang zu allen Daten im Informatikbüro von Ueli S.

Ein Grund, seinen Praktikanten zu kontrollieren, habe er zu diesem Zeitpunkt nicht gehabt, so Ueli S. Dass er sich zu naiv verhalten habe, gibt er heute zu. «Ich hätte mich besser über die Person informieren müssen.» Und: «Ja, ich habe Fehler gemacht. Ich mache mir grosse Vorwürfe.»

Vor allem ist Ueli S. aber enttäuscht, dass seine Gutmütigkeit ausgenutzt worden ist. «Ich will Menschen nicht formen, ich akzeptiere jeden Menschen, so, wie er ist.» Er habe in Sebastien N. einen jungen Mann mit vielen Problemen gesehen.

Oft habe ihm dieser seine Seele ausgeschüttet, von seiner schlimmen Kindheit erzählt. «Er hat in mir wohl eine Vaterfigur gesehen.»

Den Kontakt zu Sebastien N. sucht Ueli S. nicht, er will ihn nicht im Gefängnis besuchen, will mit der Sache abschliessen. Stünde er diesem heute dennoch gegenüber, würde ihm vor allem eine Frage auf der Zunge brennen: «Wieso hast du mich so hintergangen?»

Er habe ihm aus dem Dreck geholfen, sagt Ueli S. «Es tut weh, so hintergangen zu werden.»