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28 Jahre lang war Heiner Studer im Wettinger Gemeinderat. Er fordert, dass die Stimmbevölkerung weiterhin über Kredite abstimmen kann. Genau daran rüttelt der Gemeinderat.
Nachdem der Wettinger Einwohnerrat gerade erst eine intensive Sitzung zum Budget 2021 hinter sich gebracht hat, folgt nun diesen Donnerstag gleich die nächste. Auch diese Einwohnerratssitzung beinhaltet viel Diskussionsstoff: Nach rund drei Jahren der Überarbeitung legt der Gemeinderat eine verschlankte Gemeindeordnung sowie ein angepasstes Geschäftsreglement für den Einwohnerrat vor.
Nach der neuen Ordnung soll das obligatorische Referendum nur noch bei Budgets mit Steuerfussveränderungen angewendet werden statt wie bisher zwingend für alle Budgets. Ausserdem sollen die Stimmberechtigten nicht mehr automatisch bei Krediten mitbestimmen können, die mehr als vier Millionen Franken betragen oder einen jährlich wiederkehrenden Betrag von mehr als 400'000 Franken beinhalten. Das stärkt laut dem Gemeinderat den Einwohnerrat in seinen Kompetenzen. Sollte dem Volk ein Beschluss nicht passen, so bliebe immer noch das fakultative Referendum. «Der Einwohnerrat ist demokratisch legitimiert anstelle der Stimmberechtigten zu entscheiden. Deren demokratische Rechte bleiben weiter vollumfänglich bestehen», schreibt der Gemeinderat im Traktandenbericht.
Heiner Studer, alt Nationalrat (EVP) und früherer Vizeammann Wettingens, sieht das anders: «Das trifft nicht zu. Die Rechte der Stimmberechtigten werden vielmehr massgeblich eingeschränkt.» Studer bringt 40 Jahre Erfahrung aus dem Einwohnerrat mit, zwölf Jahre als Einwohnerrat und 28 Jahre als Gemeinderat. Er äussere sich normalerweise nicht zur kommunalen Tagespolitik: «Doch Volksrechte sind eine Grundsatzfrage, da will und muss ich mich melden.» Vor allem, wenn eine Aussage nicht den Tatsachen entspreche. «Dass die Rechte nicht geschmälert werden, kann nur jemand sagen, der noch nie für ein fakultatives Referendum innerhalb 30 Tagen rund 1200 Unterschriften sammeln musste.» In dieser Zeitspanne mindestens einen Zehntel aller Stimmberechtigten einen Referendumsbogen unterzeichnen zu lassen, bedeute einen gewaltigen Aufwand.
«Auch die Behauptung im Traktandenbericht, die zehn Prozent der Stimmberechtigten seien eine relative tiefe Referendumshürde, ist völlig falsch», bekräftigt Studer. Seiner Meinung nach ist ein fakultatives Referendum gegen ein Kreditbegehren nur dann sinnvoll, wenn die Unterschriftenzahl wie beim Kanton – im Aargau sind es 3000 für den ganzen Kanton – sehr deutlich heruntergesetzt würde. «Das Gemeindegesetz sieht aber als Minimum diese zehn Prozent vor und die Gemeinde hat leider keine Kompetenz, diese zu senken.» Für Studer ist deshalb die Abschaffung des obligatorischen Referendums ein entscheidender Abbau der Volksrechte. Bisher seien seriös erarbeitete Geschäfte von den Stimmberechtigten auch zumeist mitgetragen worden. Er rechnet fest damit, dass der Einwohnerrat in diesem Punkt der Begleitkommission zustimmt. Diese wünscht, dass das obligatorische Referendum für Kredite über vier Millionen Franken weiterhin in der Gemeindeordnung festgehalten wird. Den Vorschlag aber, die Stimmberechtigten nur noch bei Budgets mit Steuerfussveränderungen abstimmen zu lassen, findet Studer gut.
Die Exekutive wollte aber in ihrem ersten Vorschlag, dass das Volk überhaupt nicht mehr über Budgets abstimmen kann. Doch die überparteilich zusammengesetzte Begleitkommission federte das ab. Ihre Empfehlung, das Volk wenigstens über Steuerfussänderungen mitbestimmen zu lassen, übernahm der Gemeinderat.
Die Parteien sind eher kritisch eingestellt. So schreibt die CVP in ihrem Fraktionsbericht, dass sie eine hohe Achtung vor dem Mitspracherecht der Bevölkerung habe und dieses nicht einschränken möchte: «Über das jährliche Gemeindebudget und eine mögliche Steuerfussanpassung soll weiterhin im Rahmen einer Volksabstimmung entschieden werden können.» Die FDP wünscht ebenso, dass das Volk über jedes Budget und weiterhin über Kredite abstimmen kann: «Diese Abstimmungen haben eine wichtige Kontrollfunktion und es wäre gerade in der derzeit angespannten finanziellen Lage schwierig zu rechtfertigen, diese abzuschaffen.» So sieht das auch die GLP: «Als oberstes Organ ist das wenig Mitspracherecht und gerade in Zeiten, wo ein gewisses Misstrauen der Politik gegenüber spürbar ist, nicht der richtige Weg, um das Vertrauen wieder zu erlangen.» Die SVP findet deutliche Worte: «Eine krasse Form von Demokratieabbau.»
Bei der EVP/Forum 5430 klingt es positiver: «Bei kritischen Geschäften muss allenfalls häufiger das Behördenreferendum ergriffen werden, damit die Bevölkerung weiterhin mitbestimmen kann.» Die Fraktion sei aber mehrheitlich bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.