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Fislisbachs Gemeindeammann Silvio Caneri zieht nach 20 Jahren Lokalpolitik eine persönliche Bilanz. Im Interview erzählt er, was er an der Lokalpolitik vermissen wird, ob er in der Gemeinde wohnen bleiben wird und was er vom Verkehr hält.
Das Wandregal ist mit Ausnahme einiger Lexika leergeräumt. Auf dem Schreibtisch stehen nur noch der Computer und paar Schreibstifte. Gemeindeammann Silvio Caneri (CVP) erhebt sich von seinem Stuhl und begrüsst den Besuch mit einem kräftigen Händedruck. Dann bittet er in seinem Büro im ersten Stock des Gemeindehauses in Fislisbach an den runden Sitzungstisch. Im Gespräch zeigt sich Caneri locker und gut gelaunt. Einzig, dass er etwas verschnupft ist, bereitet ihm Sorgen: Er will noch als Grilleur im Adventsdörfli auf dem Guggerplatz im Einsatz stehen.
Silvio Caneri: Ich habe aufgeräumt, ja (lacht). Nach 20 Jahren haben sich jede Menge Akten und Dokumente angesammelt. Es ist Zeit, Platz zu machen.
Ich kam damals als Greenhorn in die Exekutive und bombardierte vor allem den Gemeindeschreiber mit Fragen (lacht). Nach und nach las ich mich in die Dossiers ein und verschaffte mir einen Überblick. Dass wir in Fislisbach eine sehr gute Verwaltung haben, hat mir geholfen.
Silvio Caneri wurde 1998 für die CVP in den Gemeinderat als Vizeammann von Fislisbach gewählt. Seit 2006 ist er als Gemeindeammann tätig. Ende Jahr tritt der 64-Jährige zurück. Caneri arbeitet seit über 40 Jahren bei der Axpo AG, die bis 2009 Nordostschweizerische Kraftwerke NOK hiess. Der Fachspezialist sowie Projekt- und Bauleiter von hydraulischen Kraftwerksanlagen ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Der gebürtige Oltner wohnt seit 1977 in Fislisbach.
Ich bin froh, dass nun ein neuer, spannender Lebensabschnitt auf mich zukommt. Aber es ist nicht so, dass ich die Nase voll hätte. Ich blicke gerne auf meine Zeit in der Exekutive zurück. Es waren schöne, lehrreiche Jahre. Ich konnte mich für das Dorf einsetzen und Einiges bewirken.
Ich erinnere mich, dass wir 1998 den 5000. Einwohner begrüssen konnten. Danach fiel die Bevölkerungszahl und stieg in den Jahren nur langsam wieder an. Heute sind wir bei knapp 5600 Bewohnerinnen und Bewohnern. Das moderate Wachstum hat in Bezug auf die Infrastrukturen grosse Vorteile, zum Beispiel auf Schulbauten. So sehen wir uns weniger mit Kostenexplosionen konfrontiert.
Ja, leider. Wir sind eine Trichtergemeinde. Es kommen Fahrzeuge von überall her: vom Rohrdorferberg, vom Reusstal, von Dättwil. Das hat Folgen. Pro Tag fahren rund 17 000 Fahrzeuge durch Fislisbach. Wir sind schon lange der Meinung, dass der Verkehr mit einer Umfahrung aus dem Dorf gelenkt werden soll. Das sieht auch der Kanton langsam ein.
Eine Pförtneranlage ausserhalb Fislisbachs wäre sicher machbar. So könnte der Verkehr nur noch gedrosselt durchs Dorf fliessen. Zu einer Entlastung wird auch der Ausbau der Mellingerstrasse in Dättwil führen: Beim Knoten Esp plant der Kanton einen Kreisel und eine separate Busspur. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass die Mellingerstrasse entsprechend ausgebaut wird. Wird sie nicht ausgebaut, geht in Fislisbach verkehrstechnisch gar nichts mehr.
Ja, vom Kreisel beim Restaurant Linde bis zum Alterszentrum am Buechberg. Aus Kostengründen haben wir die Badenerstrasse aber in Etappen ausführen müssen. Die Neugestaltung ist gut gelungen, wie zahlreiche Rückmeldungen zeigen. Das freut mich als Bauvorsteher sehr.
Da gibt es einige, unter anderem die Revision der Bau- und Nutzungsordnung oder der Neubau des Grundwasserpumpwerks Moos, das für 7000 Einwohner ausgelegt ist. Schön finde ich auch, dass man sagen kann: Fislisbach kennt man noch. Das Dorf hat trotz vieler Bauvorhaben seinen Charakter nicht verloren.
Ja, denn bei allen Planungsarbeiten ist uns wichtig, dass das Siedlungsgebiet kompakt bleibt. Auf diese Weise braucht es keine grossen Eingriffe in die bestehende Infrastruktur. Was die Entwicklung betrifft, haben wir noch einige Landreserven (er holt eine Landkarte und legt sie auf den Tisch), etwa an der Oberrohrdorferstrasse, an der Birmenstorferstrasse und an der Leemattenstrasse. Auf diesen grünen Wiesen sind bereits Planungsarbeiten im Gange. Bis es soweit ist, wird es aber noch eine Weile dauern.
Klar, es gibt immer wieder Projekte, die spannend sind. Aber nach 20 Jahren muss ich auch mal sagen können, jetzt ist Schluss. Man muss neuen Ideen Platz machen.
Wir hatten zwar teils heftige Diskussionen, doch die Zusammenarbeit war gut. Vor allem, als in der Exekutive noch zwei Gemeinderätinnen vertreten waren. Frauen bringen eine andere Gesprächskultur ins Team, was sehr gut ist.
Ich hatte das Glück, dass mein Arbeitgeber tolerant war. Das Unternehmen zeigte sich grosszügig, wenn ich etwa wegen Sitzungen fehlen musste. Wenn aber ein Ammann sein Arbeitspensum reduzieren muss, jedoch von der Gemeinde nicht entsprechend entlöhnt wird, dann finde ich das problematisch. Ich vertrete ganz klar die Meinung, dass die Entschädigung stimmen muss. Das sieht die Bevölkerung aber nicht immer so. Als Gemeindeammann im Nebenamt arbeitet man mehr als 120 Prozent.
Ereignisse wie dieses bringen einen in eine ganz schwierige Situation. Einerseits ging mir die Tragödie sehr nahe. Andererseits steht auf einmal die Presse vor der Tür, der man Red und Antwort stehen muss. Das Problem: Vonseiten der Kantonspolizei wurden wir kaum über den Fall orientiert. Das war auch bei anderen Tragödien so, zum Beispiel, als 2014 ein 37-Jähriger seine Ex-Freundin erstochen hatte. Meine Unzufriedenheit in dieser Angelegenheit habe ich auch dem Regierungsrat kundgetan. Der Dialog zwischen Exekutive und Kantonspolizei muss unbedingt besser werden. Zudem: Was damals die Medien alles über das Tötungsdelikt berichtet haben, war ganz tiefes Niveau. Das Managen solcher Situationen gehört aber auch zum Job eines Ammanns.
Meine Vorgänger hatten mir mal geschildert, wie schlimm es hier doch sei, worüber alles genörgelt werde. Ich muss aber sagen: In den 20 Jahren kamen selten Bürgerinnen und Bürger auf mich zu, die mir ihren Unmut kundtun wollten. Und wenn, dann führten wir ein Gespräch und die Angelegenheit war erledigt. Zurückblickend muss ich sagen, dass der Zuspruch in der Bevölkerung für unsere Arbeit gross war.
Vor wenigen Tagen wurde ich pensioniert. Jedoch werde ich in einem 50-Prozent-Pensum noch für meinen Arbeitgeber tätig sein. Dann ist der Übergang ins Rentnerleben nicht so abrupt. Und um nicht ganz den Faden zu verlieren, werde ich bestimmt an Gemeindeversammlungen teilnehmen, aber als Zuhörer (lacht).
Klar! Mir gefällt es sehr gut hier. Das war auch ein Grund, weshalb ich vor über 40 Jahren aus Olten nach Fislisbach zog und mich für das Dorf einsetzen wollte. Ich war überrascht, dass man sich auf der Strasse grüsste, das ist übrigens heute noch der Fall. Wir haben auch sehr viele Vereine, darunter die Musikgesellschaft und der Turnverein. Es fasziniert mich, wie sich Freiwillige ehrenamtlich für eine Sache engagieren. Der Vereinsgeist wird hier gelebt, das ist sensationell. Fislisbach wurde zu meiner Heimat.
Ich war während sechs Jahren Präsident des Turnvereins. Als ich in die Politik einstieg, habe ich das Amt aber abgegeben. Seither bin ich vor allem aktiv, wenn es um das Einzahlen des Mitgliederbeitrags geht (lacht). Nein, im Ernst: Jetzt, wo ich mehr Freizeit habe, werde ich sicher wieder turnen gehen.
Neben dem Turnen werde ich wie bereits erwähnt noch zweieinhalb Tage die Woche arbeiten. Wie ich die restliche Zeit ausfüllen werde, darüber muss ich mir noch Gedanken machen. Für ein Hobby blieb in den vergangenen Jahren kaum Zeit. Ich werde aber sicher mehr laufen und mehr in die Ferien gehen, beispielsweise nach Mallorca, wo wir ein kleines Ferienhaus besitzen. Zu Beginn wird es mir sicher schwerfallen, nicht mehr als Gemeindeammann tätig zu sein. Doch ich freue mich sehr auf den neuen Lebensabschnitt.