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Die Gemeinde will eine gesetzliche Grundlage schaffen, um die Bestattungskosten auf die Angehörigen zu überwälzen.
«Sterben muss jeder, zahlen nicht», schrieb die NZZ in einem Beitrag über die Bestattungskosten. Der Tod hinterlässt bei den Angehörigen eine schmerzhafte Lücke – oft auch im Portemonnaie. Mit dieser Thematik hat sich nun der Wettinger Gemeinderat auseinandergesetzt. Er hat festgestellt: «Vermehrt kommt es nach Todesfällen zur konkursamtlichen Liquidation und zur Ausschlagung des Erbes durch die Angehörigen. Diese sind des Öfteren der Meinung, nach Ausschlagung des Erbes nicht für die Bestattungskosten aufkommen zu müssen.» Zu den Bestattungskosten zählen die Aufwendungen der Bestattungsinstitute, Kremation und Urne sowie die Grabgebühren. Schnell kommen da mehrere tausend Franken zusammen.
Doch wer übernimmt die Kosten? Im aktuell gültigen Reglement der Gemeinde Wettingen steht: «Die Bestattung ist gebührenpflichtig. Über Ausnahmen entscheidet der Gemeinderat.» Derzeit wendet Wettingen folgende Praxis an: Wenn Vermögen vorhanden ist, werden die Bestattungskosten aus dem Nachlass der oder des Verstorbenen beglichen. Wenn kein Vermögen vorhanden ist, übernimmt die Einwohnergemeinde die Kosten. Im Jahr 2016 waren es drei Fälle, welche die Gemeinde insgesamt 14'000 Franken kosteten. Im letzten Jahr waren es bereits acht Bestattungen, welche mit total 23'000 Franken zu Buche schlugen. «Es ist für die Gemeinde ärgerlich, wenn Angehörige das Erbe ausschlagen», sagt Gemeinderätin Kirsten Ernst (SP). Wettingen befürchtet steigende Kosten. Mit einer Totalrevision des Bestattungs- und Friedhofreglements will der Gemeinderat nun Gegensteuer geben.
2013 entschied das Verwaltungsgericht: Bestattungskosten sind primär aus dem Nachlass zu begleichen. Eine Pflicht der Angehörigen zur Übernahme der Kosten lasse sich aus einem alten Bundesgerichtsurteil aus dem Jahr 1928 nicht ableiten. Will eine Gemeinde die Bestattungskosten auf die Angehörigen überwälzen, so bedarf es dazu einer gesetzlichen Grundlage. In der Verordnung über das Bestattungswesen des Kantons Aargau ist die Übernahme der Kosten allerdings nicht geregelt. Mit einem Reglement auf kommunaler Ebene können die Kosten jedoch auf Angehörige abgewälzt werden, selbst wenn sie die Erbschaft ausschlagen oder der Nachlass überschuldet ist.
Um eine klare Regelung zu schaffen, will der Wettinger Gemeinderat das Bestattungs- und Friedhofreglement per 1. November 2019 einer Revision unterziehen. Im Antrag des Gemeinderats an den Einwohnerrat steht:
Die Bestattungs- und Kremationskosten sind aus dem Nachlass der verstorbenen Person zu bezahlen.
Ist kein Nachlass vorhanden, ist dieser überschuldet oder wird dieser von sämtlichen Angehörigen ausgeschlagen, sind die nächsten Angehörigen auch bei Ausschlagung des Nachlasses zur Übernahme der Kosten verpflichtet.
Es ist für die Gemeinde ärgerlich, wenn Angehörige das Erbe ausschlagen.
(Quelle: Kirsten Ernst, Gemeinderätin Wettingen)
Sind keine Angehörigen vorhanden oder auffindbar oder sind diese finanziell nicht in der Lage, die nicht durch den Nachlass gedeckten Kosten zu tragen, gehen die Kosten zulasten der Einwohnergemeinde. Die fehlende Zahlungsfähigkeit ist zu belegen.
Gemeinderätin Kirsten Ernst bedauert, dass man die Bestattungskosten auf diese Weise regeln muss. «Aber die Zunahme der Fälle, in denen die Gemeinde die Kosten tragen musste, zwingt uns zu diesem Schritt.» Viele Gemeinden in der Region haben bereits vollzogen, was in Wettingen nun eingeführt werden soll. Baden und Ennetbaden etwa verwenden in ihren Reglementen praktisch den identischen Wortlaut, den der Wettinger Gemeinderat am 5. September dem Einwohnerrat zur Abstimmung vorsetzen wird. Auch in Würenlingen gilt: Die Gemeinde übernimmt nicht automatisch die Kosten, falls kein Nachlass vorhanden ist oder das Erbe ausgeschlagen wird.
In Ennetbaden kommt es indes höchst selten vor, dass die Bestattungskosten zur Debatte stehen. Der stellvertretende Gemeindeschreiber Dominik Andreatta hält fest: «Falls es vorkommt, dass die Kosten für Bestattung und Beisetzung nicht durch Angehörige übernommen werden können (zirka einmal alle zehn Jahre), so tritt die Gemeinde als Kostenträger ein. Die Beisetzung erfolgt dann im Gemeinschaftsgrab, ohne Namensnennung (das ist die kostengünstigste Variante).»
Anders der Friedhofverband Rohrdorf (Oberrohrdorf, Niederrohrdorf, Remetschwil). Dieser übernimmt bei einem Todesfall die Kosten für einen einfachen Sarg, das Einsargen, die Überführung vom Todesort zum Friedhof oder Krematorium (bis maximal 100 Fahrkilometer), die Kremation, die Aufbahrung im Friedhofgebäude (ohne Ausschmückung des Raums) und die Grabstelle für Erdbestattung oder Urnenbeisetzung. Das in jedem Fall und ungeachtet der Vermögenslage. Wer im Friedhofverband Rohrdorf beigesetzt wird, bezahlt lediglich die fakultative Namenstafel für 200 Franken.
Genau genommen, ist dieser letzte Dienst natürlich auch beim Friedhofverband Rohrdorf nicht wirklich umsonst, sondern wird durch den Gemeindeverband steuerfinanziert.