In zwei Jahren wird in Baden das «modernste und gefälligste Thermalbad Europas» eröffnet, wie Stiftungsrat Beat Edelmann prophezeit. Eine Ausstellung zum «Badekult» im Historischen Museum erinnert jetzt an die Geschichte der historischen Kur- und Bäderstadt.
Viele Künstler haben sich schon an das Motiv gewagt. «Der Jungbrunnen» des Schweizer Künstlers Hans Sandreuter ist vielleicht eines der eindrücklichsten Gemälde dieser Gattung. Auf dem grossformatigen Bild sehen wir einen Brunnen aus weissem Marmor inmitten einer mythischen Landschaft. Rechts steigen alte Männer, Kranke und Gebrechliche in den Brunnen, halten ihre Badeschale in das einstürzende Wasser, gierig ob der Erfüllung der heilversprechenden Therme.
Links entsteigen vier Frauen dem Brunnen, nackt, jung, schön. Eine der Jungfrauen betrachtet sich in einem Handspiegel, scheinbar entzückt ab ihrer eigenen Erscheinung.
Dieses symbolistische Bild aus dem fin de siècle hängt derzeit als Leihgabe im Historischen Museum Baden. Es illustriert auf eindrückliche Weise, welch heilende Kräfte und Wunder sich die Menschen seit je her vom Wasser versprachen. Und wie selbstverständlich die Reinigung des Körpers mit Verjüngung, mit Weiblichkeit, Schönheit und Fruchtbarkeit zusammen gedacht wurde.
Welche Bedeutung dem Quellwasser sonst noch zugeschrieben wurde, wie sich Vorstellungen über Gesundheit und (Körper-)Hygiene im Laufe der Zeit gewandelt haben und wie sich der Badekult historisch entwickelt hat, diesen Fragen geht derzeit eine Ausstellung im Historischen Museum Baden nach, welche am Sonntag feierlich eröffnet wurde.
Die Geschichte des Körpers erleben
Den Badekult nimmt die Ausstellung dabei auf raffinierte Weise über den Blick des Körpers in den Fokus. Der museale Rundgang ist analog zum Besuch eines Badeaufenthalts organisiert: Die erste Station ist die Garderobe, in die die Besucher eintreten und sich selbst erst einmal in einem Spiegel betrachten. «Mit Kleidung präsentieren wir unseren Körper auf eine gewisse Weise, drücken uns aus. Beim Baden ziehen wir uns aus und wir müssen uns etwa fragen, wie zufrieden wir mit unserem Körper sind.», sagt die Museumsleiterin Carol Nater Cartier.
Der zweite Raum ist der Nacktraum. Wäre dies keine Ausstellung, sondern ein richtiger Badegang, würden diesen Raum vielleicht nicht alle betreten. Die Grenzen der Intimsphäre und der Scham sind bei jedem anders und unterscheiden sich auch von Kultur zu Kultur. An den Wänden hängen Aktbilder, begleitet werden sie von Passagen von Schriftstellerinnen und Essayisten, die sich mit Nacktheit und Nudismus auseinandersetzen, aber auch mit unterschiedlicher Repräsentation nackter Körper in den darstellenden Künsten.
Die Entwicklung von Gesundheit und Hygiene
Im dritten Raum beschäftigt man sich mit Wasser und Körper aus medizinischer Sicht. «Was tut dem Körper gut? Darüber hat jede Zeit anders nachgedacht», erzählt Carol Nater Cartier. Im Mittelalter praktizierte man die Humorallehre. In den Schaukästen zeigen farbige Zeichnungen den antiken Wissensstand, wonach das richtige Zusammenspiel der vier Lebenssäfte – gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim – für die Gesundheit des Körpers verantwortlich gemacht wird. Bei Krankheit sollten Purgieren, Aderlass, Schröpfen und Baden die Säfte wieder in Bewegung bringen und das Gleichgewicht herstellen.
Heute sucht man mit technischen Hilfsmitteln den Blick ins Innerste. «Wir scheinen das Vertrauen in unseren Körper verloren zu haben und wollen mithilfe von Apps unseren Blutdruck oder den weiblichen Zyklus ständig beobachten und kontrollieren», sagt Nater Cartier. Im oberen Stockwerk gelangt man schliesslich zum Heilbad, in der Ausstellung eine raumlange Attrappe eines Schwimmbads. Doch was verspricht das Baden eigentlich? Längst hat sich die Wirtschaft diesen Fragen angenommen und aus dem Glauben an das heilbringende Wasser wirtschaftlichen Profit geschlagen: In Zeiten der Selbstoptimierung boomt die Spa- und Wellnessindustrie und verspricht neben dem physischen auch das psychische Wellbeing. An den Wänden hängen Werbeplakate von der Hochzeit der Badekultur aus dem 18. und 19. Jahrhundert neben kultiger Werbung aus den 70er Jahren. Dazwischen schwebt in Lebensgrösse Sandreuters Gemälde «Die Quelle», quasi als latentes Urbild des mythisch aufgeladenen Heilsversprechens der Quelle. Zuletzt bietet der Ruheraum im Eingangsbereich des Museums einen Ort zum Diskutieren und Reflektieren des eben Gesehenen.
Kostbares Thermalwasser für alle
In der Ansprache erzählt Carol Nater Cartier schliesslich vom Grand Hôtel, das 1873 am Ufer der Limmat gebaut wurde. Ein riesiger Badepalast und eines der ersten mit elektrischem Licht. 1944 wurde das Luxushotel gesprengt, weil in seinen enormen Proportionen und dem Luxusangebot den Bedürfnissen der Gesellschaft nicht entsprach. Es ist ein Hint auf das Riesenprojekt von Mario Botta, welches nach jahrelanger Bauzeit und mehreren Millionen Franken in zwei Jahren eröffnet werden soll. Dass das kostbare Thermalwasser nicht nur für wenige, sondern für alle zugänglich bleiben soll und nicht nur für die «obere Gesellschaftsschicht», wie zu Beginn der Badener Badekultur, darauf solle man achten. Dieses Credo vertritt auch der Verein «Bagni Popolare», mit dem das Historische Museum kollaboriert. Nächste Woche eröffnet die erste Reihe der gemeinsamen musikalischen Installationsausstellung im ehemaligen Badgasthof zum Raben. Dort darf dann buchstäblich eingetaucht werden ins vielleicht heilende, auf jeden Fall aber wohltuende Thermalwasser.