Kolumne
Baden-Balladen: «Die Schranke»

Simon Libsig liegt wach und kämpft – das ist seine Baden-Ballade Nr. 51.

Simon Libsig
Simon Libsig
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Die Schranke in der Gstühl-Unterführung sorgte schon für Unmut. (Archiv)

Die Schranke in der Gstühl-Unterführung sorgte schon für Unmut. (Archiv)

Frederic Härri

Simon Libsigs Weg führt oft durch die Gstühl-Unterführung:

In der Kleinstadt Baden entbrannte, ein grosses Gezanke - wegen einer Schranke.
Sie schränke zu sehr ein, meinten die einen,
«mitnichten», meinten die andern,
doch half schlicht weder weinen noch jammern,
denn die Schranke war nun mal da.
Unverrückbar.
Obwohl. Nicht ganz. Sie liess sich öffnen und schliessen,
und viele liessen sich ihren Tag dadurch des Öfteren verdriessen.
Denn es nütze kein Hoffen,
wer die Schranke zu haben wollte, fand sie sperrangelweit offen,
und wer sie offen lieber sah,
fand sie so nur hie und da.
Also quasi nie.
Vielleicht war es Schicksal oder Ironie?
Auf jeden Fall eine Schmach für viele aus Baden,
und viele schienen Rache zum Ziel zu haben,
denn die Schranke wurde von Jung und Alt,
zeternd, und mit der Faust vor Wut geballt,
immer wieder aufgerissen oder zugeknallt.
Es ging schon lang nicht mehr nur um Verkehr,
und Sicherheitsfragen,
um Fussgänger, Velos oder Kinderwagen,
nein, die Schranke erkannte mit blankem Entsetzen,
es galt diesem Zorn eine Schranke zu setzen.
Also tat sie das, was in ihrer Macht stand,
sie begann laut zu quietschen, ja, man hörte es bis zum Stadtrand,
wenn nun einer die Schranke bewegte,
und die ganze Gstühl-Unterführung bebte.
Es war ohrenbetäubend, und der Ton wirklich schauderhaft,
und das hat auch die Schranke ausgelaugt, ja, es raubte ihr die letzte Kraft.
Bis sie schliesslich irgendwann
hoffnungslos zu rosten begann.
Das Leben selbst hatte sie in die Schranken gewiesen,
und erst lange nach ihrem Tod
hat man sich bei ihr bedankt, und sie lobend gepriesen...

Der Spoken-Word-Poet Simon Libsig (40) hat zuletzt den Krimi «Der Velodieb, der unters Auto kam» veröffentlicht. Seine Kolumne erscheint immer am ersten Donnerstag im Monat.

Wer das Gedicht hören will, hier besteht die Möglichkeit dazu: