Simon Libsig schaut 170 Jahre in die Zukunft.
Baden im Jahr 2189. Innenstadt. Dort, wo mal der Bahnhofbrunnen war. In einem Büro in der 35. Etage. Smart-City-Planer Trockenbrodt hat seinen Staff versammelt: «Wir brauchen nicht nur eine Idee», sagt er, und schlägt auf den Touchscreen-Tisch, «wir brauchen eine Vision!» Der Tisch flackert, zeigt sofort eine Fehlermeldung an.
Die Staff-Mitglieder starren Trockenbrodt durch ihre Google-Brillen an. Der Stimmungs-Sensor im Zimmer erkennt sofort die Situation und aktiviert das Deeskalations-Programm. Mikro-Düsen hüllen die Anwesenden in einen Endorphine-Nebel, Jazz swingt aus den Boxen und Servier-Drohnen fliegen eifrig Apéro-Häppchen und Alkoholika herbei. Trockenbrodt gelingt es erst mithilfe der Security-Roboter, das Team wieder an die Arbeit zu erinnern: «Wie heben wir die Lebensqualität dieser Stadt aufs nächste Level?» Trockenbrodt swipt sämtliche Strand-Bilder und Katzen-Videos von der Fensterscheibe.
«Was fehlt Baden?» Die Staff-Mitglieder gleiten auf ihren Hoover-Boards um den Tisch herum, um sich ein Bild von der Realität zu machen. Einer knallt gegen die Scheibe. Die anderen kneifen wegen des Sonnenlichts ihre Augen zu. «Was brauchen die dort unten denn noch? Was haben sie noch nicht?» Die Staff-Mitglieder sehen die Badstrasse mit dem sich selbst reinigenden Belag.
Sie sehen die Magnetschwebebahn. Die personalisierte Shopping-Zone, in der jeder immer den Laden betritt, den er sich gerade wünscht. Sie sehen die 3D-Drucker-Stationen für allerlei Streetfood. Und sie sehen das Einsamkeits-Büro, in dem man sich geklonte Hunde für einen Spaziergang ausleihen kann. «Denken sie nach!» sagt Trockenbrodt und reicht Ritalin und Xanax herum. «Wie werden wir zur lebensfrohen Stadt?» Totenstille. Dann streckt Heiniger aus dem Team auf: «Was wäre, wenn ... ich weiss, es klingt verrückt ..., aber wie wäre es, wenn die Menschen plötzlich miteinander interagieren würden?» Sofort wird er rot. Einzelne vom Team können sich ein Lachen nicht verkneifen.
«Wie stellen sie sich das vor?», fragt Trockenbrodt, ebenfalls amüsiert. «Na ja», fährt Heiniger fort, «es müsste einen Ort geben, an dem man gerne zusammenkommt und sich trifft.» Trockenbrodt wird hellhörig. «Offline?» fragt er nach. «Das wäre zumindest neu», antwortet Heiniger. «Aha», sagt Trockenbrodt und kriegt einen verklärten Blick. Dann springt er auf seinen Stuhl und verkündet: «Ich nenne es Treffpunkt!» Jetzt kommen auch die anderen in Fahrt. Es müsste ein Ort sein, der Nostalgie weckt. Schlicht. Der nicht ablenkt. Keine Screens. In der Zeit stehengeblieben. An diesem Ort dürfte es nicht um Deko gehen, sondern um das persönliche Gespräch.
Und keine Roboter, die Bedienen! Vielleicht etwas Feines im Angebot, spezielle Gipfeli zum Beispiel? Und ein bescheidener Kaffee, damit auch die Nörgler etwas Futter haben! Genau! Und wer will, kann draussen sitzen und die anderen beim Flanieren beobachten! Das Team redet sich in Euphorie. «Wir schaffen einen Ort, der die Menschen verbindet», fasst Trockenbrodt zusammen. Alle klatschen. «Stellt euch nur mal vor», ergänzt Heiniger stolz, «das wäre wie im Himmel»!