Der Badener Dichter schreibt heute über eine verhaltensoriginelle Maschine in einem Badener Parkhaus. Er kommt zum Schluss: «Diese Maschine lebt. Sie hat ihren eigenen Willen.»
Unterdessen plane ich immer schon eine halbe Stunde mehr Zeit ein. Tatsache. Zu oft hat mich diese Maschine schon verkohlt. Ganz genau, verkohlt. Es geht ja immer um Kohle. Und diese Maschine scheint ein echtes Problem damit zu haben.
Mal akzeptiert sie nur Noten. Dann nur Münz. Dann nur noch Karte. Aber natürlich nicht jede Karte. Das entscheidet sie spontan. Je nach Tagesform. Diese Maschine macht, was sie will. Sie schwimmt auch bei 230 Volt gegen den Strom.
Sie kennen sie sicher. Sie standen sicher auch schon mal mit schweren Einkaufstüten vor ihr, das Parkticket zwischen den Zähnen, fassungslos, dass ihre Karte abgelehnt und zum Schlitz wieder ausgespuckt wird. Und dann mussten sie mit den Einkäufen wieder zum Metroshop hoch, zum nächsten Bankomaten. Dann wieder runter in die Tiefgarage.
Aber Obacht! Aha! Noten frisst sie heute also auch nicht! Toll! Sie werden langsam ungehalten. Aber hilft ja nichts. Also wieder hoch in den Metroshop. Noten kleinmachen. Sie kaufen also beim Maroni-Mann 150 Gramm, oder nein, «wissen Sie was? Geben Sie mir gleich 200 Gramm», obwohl sie null Hunger haben.
Und dann schleppen Sie sich wieder runter in die Tiefgarage, vor die Maschine. Dort hängt unterdessen ein handgeschriebener Zettel dran: «Mechaniker unterwegs».
Ich habe auf meinem Handy bereits ein eigenes Fotoalbum für diese Info-Zettel angelegt. Nur schon anhand des sich über die Zeit verändernden Schriftbildes kann man vermuten, wie es um die seelische Verfassung dieses armen Reparatur- und Wartungsmenschen stehen muss.
Überdeutlich wird es, wenn man den Inhalt betrachtet. Auf dem letzten Zettel, der eben erst vor wenigen Tagen an der Maschine klebte, stand: «Schranke ist offen!!!!»
Ich habe hier eher symbolisch vier Ausrufezeichen eingefügt. Auf dem handgeschriebenen Zettel war tatsächlich nur ein einziges Ausrufezeichen drauf. Es prangte über das halbe A4-Blatt und war mit schwarzer Farbe und Nachdruck ausgemalt worden. Sie merken, das Thema ist hier «Resignation».
Wenn ich mir vorstelle, wie viel Geld und Nerven diese Maschine schon gekostet hat … nein, ich darf es mir gar nicht vorstellen. Über ihr, im grossen Einkaufsladen, werden fast im Monatstakt Maschinen auf den neusten Stand gebracht oder ersetzt, ja, der gesamte Laden wird regelmässig umarrangiert, umgebaut, für ein möglichst effizientes und gewinnbringendes Einkaufen, aber unten in der Tiefgarage kollabiert das ganze System, weil eine nicht mitspielt. Nicht mitspielen will.
Was habe ich mich schon aufgeregt.
Aber unterdessen plane ich einfach eine halbe Stunde mehr Zeit ein. Ich habe es akzeptiert. Diese Maschine lebt. Sie hat ihren eigenen Willen. Sie lässt sich nicht verbiegen. Und tief drinnen bewundere ich sie dafür. Vielleicht werden wir nicht die besten Freunde. Aber sich ab und zu verkohlen liegt drin.
*Simon Libsig, Poet (45). Sein neustes Buch: «Dorfpolizist Gruber hat’s erwischt». Libsigs Kolumne im BT erscheint immer am ersten Donnerstag im Monat.