Wie gut ist die Badenfahrt 2023 im historischen Vergleich? Der langjährige einstige Redaktionsleiter des Badener Tagblatts, Roman Huber, spricht von Höhepunkten in vielerlei Hinsicht. Und er fragt sich: Kann dieses Fest in Zukunft punkto Kreativität noch übertroffen werden?
Wer auf einige Badenfahrten zurückblicken kann, erkennt an ihnen mehrere Konstanten: Jede Badenfahrt steht jeweils im Zeichen ihrer Zeit. Jede Badenfahrt pflegt vorherige zu übertrumpfen. Darum war bis jetzt jede Badenfahrt eine «Badenfahrt der Superlative». Dass sich diese Tradition – auch verschiedenen Unkenrufen zum Trotz – fortgesetzt hat, darf bereits heute, nach fünf bewältigten Festtagen behauptet werden.
«Neo», das Motto, trifft damit in seiner Bedeutung «neu – an Früheres anknüpfend» die Badenfahrt als Institution punktgenau. Einmal mehr hat sie viel Neues, Überraschendes auf die Beine gestellt und wird von einer Philosophie des Lebens getragen, die immer wieder aufs Neue aus dem viel gerühmten «Badener Geist» erweckt wird.
Es ist etwas Besonderes, entstehend aus einer Gemeinsamkeit, die mehr als nur eine strategische Allianz ist, um ein Fest auf die Beine zu stellen. Die Badenfahrt symbolisiert ein «Miteinander für alle», für eine Stadt oder vielmehr eine ganze Region und deren Menschen, die alle paar Jahre eben wieder etwas brauchen: nämlich eine Badenfahrt.
Schon das Wort Badenfahrt erzeugt ein Verlangen, eine Sehnsucht, ja Solidarität oder vielmehr Geistesverwandtschaft, etwas Einmaliges entstehen zu lassen. Das geschichtsträchtige Wort ist ungebrochen Ansporn und Überzeugung dazu.
So hat ein verschworenes Komitee dies dreieinhalb Jahre lang vorbereitet, und in den vergangenen Wochen haben Hunderte begeisterungsfähiger Menschen in Tausenden von Arbeitsstunden mit unvergleichlicher Schaffenskraft und Kreativität etwas auf die Beine gestellt, das zumindest in der Schweiz als Volksfest seinesgleichen sucht. Seit 2017 figuriert der Anlass auf der Unesco-Liste der «lebendigen Traditionen der Schweiz».
Es kommt also nicht von ungefähr, dass fast alle Schweizer Medien inzwischen in den allerhöchsten Tönen über das zurzeit laufende Fest berichtet haben. Der Ruf «auf nach Baden!» ist unüberhörbar und wird, unterstützt vom Wetter, «Neo» dazu verhelfen, den Besucherrekord von «Versus» (2017) mit 1,2 Millionen Festgästen wohl zu brechen.
Erstaunlich und positiv darf man feststellen, wie sich die negativen Stimmen bis jetzt in kleinem Rahmen gehalten haben. Offensichtlich bietet die Badenfahrt «Neo» dank weitsichtiger Planung wenig Anlass dazu. Vielmehr gibt sie genügend Raum, in dem auch Narzissten, Frustrierte und Unzufriedene etwas Balsam für sich und ihr Leben finden.
Was zeichnet denn die Badenfahrt «Neo» aus? Das Gemisch von Fest- und Musiklärm ist man sich von früher bestens gewohnt. Je nach Festbezirk ist es heute nicht anders. Fürs Auge und fürs Gasterlebnis ist es vielmehr der erneute Genuss beim Blick an und in die Dutzenden imposanter Festbeiz-Bauten.
Die Kreativität bezüglich Ideen, Konstruktion bis zu den dekorativen Feinheiten ist in solcher Vielfalt und Anzahl schlicht einmalig. Es stellt sich wirklich die Frage, womit denn eine nächste Badenfahrt dies noch übertreffen will.
Diese Frage ist für eine Badenfahrt jedoch obsolet. War das «Franzosenhaus» eingangs Weite Gasse an der Badenfahrt 1982 der erste mehrstöckige Festbau, so tauchten 1987 bereits einige zweigeschossige Festbeizen auf.
In der Folge stieg die Zahl an extravaganten Bauwerken, ob in die Höhe, durch ausgefallene Konstruktion oder besondere Gestaltung, mitgeprägt von einem freundschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen den teilnehmenden Gruppierungen.
Mit «Neo» hat die Festlandschaft diesbezüglich ohne Zweifel einen weiteren Höhepunkt in der Geschichte der Badenfahrten erreicht, was zweifellos auch den finanziellen Aufwand und den Einsatz professioneller Baufachleute anbetrifft.
Nicht allein das Optische zählt. Ebenso ist es das Inhaltliche, das Badenfahrten gegenüber anderen Festen auszeichnet. Dazu gehört diesmal wieder ein Festumzug, den man in jüngerer Vergangenheit doch vermisst hatte.
Es ist auch das eindrückliche Programm an musikalischer Vielfalt auf grossen wie kleinen Bühnen in manchen Festbeizen, bunten Veranstaltungen, bestehend aus Gast-, aber auch aus eigenen Auftritten, wie sie Stella Palino seit Jahrzehnten in beeindruckender Manier auf die Beine zu stellen weiss. Nicht unerwähnt bleibe der Lunapark, wie er selten anzutreffen ist.
Braucht es jetzt noch mehr über die Faszination einer Badenfahrt zu erzählen? Nein, ausser dass die Fahrt nach Baden in den nächsten Tagen als ultimative Einladung bestehen bleibt.
Stürzen wir uns nochmals hinein in die Festfluten, freuen wir uns auf das Gebotene, aber auch auf das zufällige Wiedersehen mit alten Freunden und Bekannten, auf ein friedfertiges gemeinsames Geniessen. Es bleiben uns noch ein paar lange Nächte und kurze Tage. Mögen sie dazu beitragen, dass wir von dieser positiven Lebenseinstellung möglichst viel in den künftigen Alltag hinübernehmen.