Der Bau einer Limmatbrücke nach Ennetbaden ist aktuell wieder ein Thema. Was kaum jemand weiss: Bereits die Chefs des legendären Grand Hotels Baden und der Oederlin-Fabrik wollten den Steg in den 1880er-Jahren bauen. Das belegen Dokumente, die der Badener Geschichtsvereins Melonenschnitz vorlegt.
Der Ennetbadener Gemeindeammann Pius Graf (SP) will dafür sorgen, dass der Mättelisteg nach Baden doch noch gebaut wird. Zuletzt vor sechs Jahren scheiterte der Bau der Brücke im Bäderquartier am Nein des Badener Einwohnerrats.
Graf sagte kürzlich: «Ich werde auf die Stadt Baden zugehen und das Gespräch suchen. Badens Stadtammann Markus Schneider und ich haben über die Jahre den Mättelisteg nie aus den Augen verloren und immer wieder darüber gesprochen.»
Zwei Verbindungen von Baden nach Ennetbaden gibt es bereits im Bäderquartier: die Schiefe Brücke sowie der Mercier-Steg. Der neue Steg könnte nun eine Verbindung zum Badener Mättelipark schaffen, von dem neben Ennetbaden auch die Gemeinde Obersiggenthal profitieren würde.
Was heute kaum mehr jemand weiss: Die Idee eines Mättelistegs ist alt, sehr alt. Recherchen des Vereins Melonenschnitz für den Industriekulturpfad belegen: 1886 und 1890 gab es bereits Projekte für einen Steg. Es handelte sich um eine gemeinsame Idee des Industriellen Carl Oederlin und des Direktors des Badener Grand Hotels, Rudolf Bruno Saft.
Die Firma Oederlin, 1858 auf der rechten Limmatseite auf der Grenze zwischen Ennetbaden und Obersiggenthal gegründet, befand sich 20 Jahre später im Aufschwung, wie der Verein schreibt, der das Ziel hat, die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Region Baden zu fördern.
Die Beziehungen der Firma Oederlin zum Grand Hotel auf der anderen Flussseite waren gut: 1882 war ein Generator installiert worden, dank dem das Grand Hotel mit der als Sensation gehandelten elektrischen Beleuchtung auftrumpfen konnte.
Und auch das 1858 eröffnete Grand Hotel mit seinem initiativen Direktor Rudolf Bruno Saft hatte gute Zeiten, so der Badener Verein. «Er wälzte diverse Ideen, beispielsweise erlangte er mit einem Bundesbeschluss die Konzession für eine Standseilbahn zum Restaurant Belvedere, die allerdings nie gebaut wurde.»
Die Idee einer Fussgängerbrücke hätte beiden Vorteile gebracht. «Für Oederlin stand wohl der direkte Weg zu Stadt und Bahnhof im Vordergrund, Saft wollte seinen Gästen attraktive Spaziergänge bieten.»
Ein erstes Projekt von 1886 sah eine stützenlose Brücke über die Limmat und eine kleine, zweite Brücke über den Werkkanal vor. Die Firma Arnold Bosshard in Näfels bot an, die Eisenkonstruktion für 4500 Franken zu bauen.
In der Offerte hiess es: «Ich offeriere Ihnen Lieferung und Montierung der ganzen Eisenkonstruktion für beide Stege zusammen um die Summe von 4500 Franken – wovon ein Drittel zahlbar bei Lieferung. Ein Drittel bei Montierung und der letzte Drittel ein Monat nach gänzlicher Vollendung. Ich hoffe, dass diese billige Offerte Sie veranlasst, mir diesen Auftrag zu geben.»
Doch das offerierte Projekt scheint den Initianten nicht gepasst zu haben, schreibt der Verein Melonenschnitz. Denn die Initianten wandten sich im Oktober 1890 mit einer Eingabe an den Badener Stadtrat und schilderten das Vorhaben einer Fussgängerbrücke. Sie baten um die Aufhebung einer aus dem Jahr 1424 stammenden Nutzungseinschränkung auf dem Mätteli und luden den Stadtrat zu einem Augenschein ein.
Oederlin und Saft argumentierten: «Zweifelsohne ist die Erstellung eines Fussgänger-Steges über die Limmat an jener Stelle speziell für Baden von ganz eminenter Wichtigkeit und dient vorab den Interessen der Bäder und ihrer Gäste. Es ist deshalb klar, dass die Gemeinde Baden die Ausführung des Projektes ihrerseits nach besten Kräften fördern und allenfalls bestehende Schwierigkeiten beseitigen helfen wolle.»
In der Eingabe schrieben Oederlin und Saft weiter: «Die unterzeichneten Gesuchsteller haben sich dahin vereinbart, dass sie auf gemeinsame Kosten die Frage der Erstellung eines Steges zwischen der Fabrik Oederlin und der Grand Hotel-Kurstrasse prüfen lassen wollen, um eventuell nachher, vorbehältlich der Beitragsbestimmungen der zuerst beteiligten Gemeinden Obersiggenthal und Baden, den Steg ausführen zu lassen.»
Der Stadtrat antwortete zwei Wochen danach: «Wir begrüssen Ihr Projekt lebhaft. Ein Augenschein an Ort und Stelle ist uns behufs näherer Orientierung und Besprechung ebenfalls erwünscht».
Ein neues Projekt wurde dann auch umgehend bei der Mechanischen Werkstätte Alfred Oehler in Wildegg in Auftrag gegeben und traf Mitte Dezember 1890 ein. Es sah die Überbrückung von Limmat und Werkkanal mit zwei gleich langen Jochen, abgestützt auf einen Pfeiler in der Limmat, zum Preis von 8500 Franken vor. Realisiert wurde das Projekt nie. Warum genau, ist laut Verein Melonenschnitz unklar.
Zuletzt gab es vor sechs Jahren ein konkretes Projekt: Doch es scheiterte am überraschenden Nein im Badener Einwohnerrat. Zwei Stimmen fehlten für ein Ja. Vor allem die bürgerlichen Parteien FDP und SVP lehnten den Steg ab, mit der Begründung, vor allem die Gemeinde Obersiggenthal wäre Nutzniesserin.
Und auch die SP stimmte nicht ohne Vorbehalte zu: «Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass ein Projekt, von dem neben den beteiligten Gemeinden vor allem Private am stärksten profitieren, auch entsprechend von diesen mitfinanziert werden soll», teilte die SP mit.
Und nun nimmt Ennetbaden einen neuen Anlauf, damit der Mättelisteg mit rund 130 Jahren Verspätung doch noch realisiert wird. Stadtammann Markus Schneider (Mitte) ist angetan von der Idee aus der Nachbargemeinde. «Grundsätzlich wäre der Zeitpunkt ideal. Jetzt, da die Heissen Brunnen gebaut sind und die Limmatpromenade erneuert wurde, wird den Menschen klar, wie attraktiv das Viertel ist. Und man erkennt, dass ein Steg als verbindendes Element Sinn machen würde.»
Allerdings gebe es Hürden, die es vor sechs Jahren noch nicht gab, sagt Schneider: «Den Mättelipark haben wir in den vergangenen Monaten neu gestaltet. Es wäre wohl kaum mehr möglich, den Steg wie geplant zu realisieren, ohne den Park erneut umgestalten zu müssen.»
Eine Reaktion aus dem bürgerlichen Lager zeigt, dass ein Ja aus der Politik nach wie vor alles anders als sicher wäre. Adrian Humbel, FDP-Fraktionspräsident in Baden: « Aus meiner Sicht hat sich nichts an der Situation geändert. So lange wir angespannte Finanzen haben, bin ich dagegen, dass wir etwas bauen, das nice to have ist. Mit der Schuldenlast, die wir haben, können wir uns den Steg eigentlich nicht leisten.»
Falls im Oederlin-Areal ein Parkhaus gebaut würde, «dann wäre ich sofort für den Mättelisteg, dann hätte er auch einen Sinn», sagt Humbel.