Die Neue Kurkapelle Baden verleiht am 29. und 30. April im Historischen Museum der Musik aus den Roaring Twenties neue, überraschende Facetten.
Das Foto, auf dem die Neue Kurkapelle Baden hier zu sehen ist, stammt vom Eröffnungskonzert im Limmathof, mit dem sich die Formation 2021 erstmals der grossen Öffentlichkeit präsentierte. Sie spielte ganz klassisch Mozart, Beethoven und die Ouvertüre von Wilhelm Tell – so, wie die Kurkapelle wahrscheinlich zu Originalzeiten geklungen hat.
Für die kommenden Konzerte vom 29. und 30. April 2022 im Historischen Museum Baden schlägt das Ensemble völlig andere Töne an. Hauptprogrammpunkt ist das rund 40-minütige Stück «Façade», das William Walton in den 1920er-Jahren komponiert hat. Eine Blütezeit für die damalige Bäderstadt, nicht aber für die alte Kurkapelle.
«Nach dem Ersten Weltkrieg bröckelte ihre Karriere. Herkömmliche klassische Weisen, Polkas, Märsche und Walzer funktionierten nicht mehr. Das Publikum war hungrig auf neue Tanzformen, Jazz und musikalische Einflüsse, die den europäischen Kontinent von der ganzen Welt her überspülten», sagt Dirigent Jonas Ehrler.
Ein Sammelsurium aus diesen verschiedenen Musikformen ist «Façade». Rund 30 Stücke von rund 1 bis 2 Minuten machen Ausflüge in verschiedenste Stilformen wie Ragtime, Tango – schottische Nummern und sogar ein Jodelsong kommen zu Gehör. Das ganze Stück basiert auf den lautmalerischen, etwas dadaistischen Gedichten von Edith Sitwell, die im Historischen Museum von Sopranistin Vivian Hasler interpretiert werden. In einer rhythmischen Form, die an den heutigen Rap erinnert.
«Das Stück mit den rasanten Wechseln ist für das Publikum so unterhaltsam wie ein Varieté. Für uns Musiker wird es ein halsbrecherisches Unterfangen und fordert uns alles ab», meint Ehrler. Für jedes neue Projekt wird die Formation der Neuen Kurkapelle ad hoc zusammengestellt. Voraussetzung: Mitmachen können nur Vollprofis. Für das Konzert vom 29. April kommen die sieben ausgewählten Musiker gerade dreimal zum Proben zusammen. «Die Noten haben alle vorab bekommen. Jeder übt im Vorfeld zu Hause für sich», erzählt der Orchester-Leiter im Interview.
Für Ehrler sind die Roaring Twenties eine der kreativsten Epochen in der Musikgeschichte. «Die Aufbruchsstimmung war enorm. Leider bedeutete das auch den Anfang vom Ende der damaligen Kurkapelle, deren Stil etwas festgefahren war.» Ehrler will mit der Neuformierung ihre Geschichte weiterschreiben und ins Hier und Jetzt transportieren.
«Natürlich halten wir uns an Musik, die früher komponiert wurde, aber wir interpretieren sie neu und tauchen immer wieder in andere Epochen ein.» Die Neue Kurkapelle Baden stösst damit in eine Nische, die bisher noch nicht besetzt war.
Schon das Feedback auf die Premiere war enorm positiv. «Doch wir stehen noch ganz am Anfang», bekundet Ehrler. Finanzielle Unterstützung kommt von der Stadt und dem Kuratorium Aargau. Ansonsten ist es schwierig, Support zu erhalten. «Es liegen nach Corona viele Gesuche von Kulturschaffenden auf den Tischen der verschiedenen Stiftungen und sie stehen nun vor der Herausforderung, wen sie unterstützen sollen.»
Trotzdem sind bereits nächste Events in Vorbereitung. Am 1. und 2. Juli 2022 steht im Kurtheater die Freilicht-Aufführung «Zum Teufel nochmal!» auf dem Programm. Als Basis dienen die Werke «L’histoire du soldat» von Igor Strawinsky und «A Fiddler’s Tale» von Wynton Marsalis. Dazu schreibt Wortakrobat Simon Libsig eine tragikomische Geschichte über den Teufel, der in Baden zur Kur geht und dabei so manche bizarre Erlebnisse hat.
Ein Highlight wird dann das um ein Jahr verschobene Bäderfest vom 28. bis 30. Oktober 2022 sein. An allen drei Tagen ist im Saal des Limmathof Hotel & Spa Baden eine «Soirée Kurieuse» angesagt, an der die Neue Kulturkapelle Baden das eigens für sie komponierte Stück von Stephanie Haensler aufführt. Die Ennetbadenerin ist unter anderem Preisträgerin des Kompositionswettbewerbs des Lucerne Festivals und bekannt für ungewöhnliche Kombinationen zwischen historischer und aktueller Musik.
Die Neue Kurkapelle Baden führt ihr Programm «Façade» am 29. und 30. April 2022, jeweils 19 Uhr, im Historischen Museum Baden auf. Auf www.kurkapelle.ch sind noch wenige Tickets erhältlich.