Das Trio Project zeigte im Kurtheater Baden ein choreografisches Konzert mit dem Namen Variation X. Dabei handelte es sich um eine Interpretation des bekannten Gassenhauer-Trios.
Welchen der drei Sätze von Ludwig van Beethovens sogenanntem Gassenhauer-Trio liebt man mehr? Den ersten, energisch-stolzen? Den zweiten, wunderbar lyrischen? Oder den dritten, mit seinen neun vitalen Variationen, die einem echten Rausschmeisser gleichkommen?
Die drei Künstlerinnen Annalisa Derossi (Piano und Tanz), Isaac Espinoza Hidrobo (Violine und Tanz) und Fanny Balestro (Cello und Tanz) vom Trio Project entscheiden sich nicht, sondern denken das Vorhandene weiter und fügen ihre eigene Variante hinzu: die Variation X. Das choreografische Konzert führten sie am Samstag im Badener Kurtheater auf. «Variation X» knüpft jedoch nicht an Beethovens Tonsprache an, sondern lässt Violine, Violoncello und Klavier so sprechen, dass die Verankerung in der Gegenwart erkennbar ist. Der Flügel wird mitunter ganz schön traktiert, wenn gleich vier Hände ihn bearbeiten. Gleichzeitig kitzelt eine entfesselte Cellistin solch sonore Geräusche aus ihrem Instrument, dass es als Gezirpe wahrgenommen wird.
Wird es dunkel, nimmt das Trio Platz im neuen Proberaum des Kurtheaters. Achtung Klassik, es wird ernst, geht es einem durch den Kopf. Tatsächlich beginnen die Künstlerinnen den Kopfsatz mit ernster Miene. Doch plötzlich stehen zwei auf, lassen einen Arm in die Höhe schnellen, blicken Applaus heischend ins Publikum. Die Pianistin dreht den Kopf und lässt ihre Hände so über die Tasten gleiten, dass jede Klavierpädagogin zusammenzucken würde.
Von da an scheint alles irgendwie nicht mehr zusammenzupassen. Sei es, dass der Musikfluss jäh unterbrochen wird und die Geigerin oder die Cellistin ein Solo einflechten. Sei es, dass die Pianistin ihren Platz vor dem Flügel verlässt, um diesen aufreizend langsam in eine andere Position zu bringen. Oder sei es, dass sie sich tanzend den Raum erobert und ihre Kolleginnen umgarnt.
Schliesslich hält das Trio Bögen in der Hand und streicht damit über die Cello-Saiten – dabei wirken sie wie neugierige Kinder. Neugier ist denn auch die Triebfeder der drei Künstlerinnen, die – ausgehend vom Gassenhauer-Trio – hingebungsvoll erproben, an welcher Schnittstelle von Musik, Bewegung und Komposition eine neue Formsprache entstehen kann.
Am Ende des Stücks erklingt zuletzt wie aus weiter Ferne noch einmal Beethovens Melodie des letzten Satzes, die man so leicht singen oder pfeifen kann. Eben ein Gassenhauer, der jedoch im choreografischen Konzert zu einer Soirée der feinen Ironie gestaltet wird. Die drei Multitalente nehmen in ihrem Auftritt Beethovens beliebtes Werk gewissermassen aufs Korn – und rütteln damit auch an den tradierten Ritualen des klassischen Konzertbetriebs. Ihre Klang-Körper-Raum-Expedition wirkt dabei so leicht wie ein luftiges Soufflé und bereitet damit vor allem eines: Vergnügen.