Baden
Mini-Wasserkraftwerk: Warum der Stadtrat einen Weiterbetrieb ablehnt

162 Jahre lang war das Limmatkraftwerk «Oederlin» in Betrieb - bis die Konzession kürzlich auslief. Der Badener Stadtrat spricht sich gegen eine Sanierung aus. Stattdessen könnten bald andere Flusskraftwerke ausgebaut werden.

Pirmin Kramer
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Wasserkraft wurde beim Oederlin-Areal von 1858 bis 2020 genutzt.

Wasserkraft wurde beim Oederlin-Areal von 1858 bis 2020 genutzt.

Walter Schwager / BAD

Vor etwas mehr als einem Jahr ist das Wasserkraftwerk Oederlin an der Limmat zwischen Ennetbaden und Obersiggenthal abgestellt worden. 162 Jahre lang hatte es Strom geliefert, doch die Konzession der Aargauer Regierung lief aus. Für die langjährige Betreiberin, die Oederlin AG, wäre eine Neukonzessionierung aufgrund der hohen Kosten nicht zu stemmen gewesen.

Politiker der FDP Baden forderten die Stadt darum auf zu prüfen, wie und unter welchen Bedingungen das Limmatkraftwerk weiterbetrieben werden könne (Ausgabe vom 24. August). Das Oederlin habe durchschnittlich rund 0,4 Gigawattstunden Strom pro Jahr generiert. «Damit könnten etwa 100 normale Haushalte mit Strom versorgt werden, mit modernen Turbinen wären es deutlich mehr», rechnet die FDP vor.

«Überproportional hohe Kosten»

Der Stadtrat ist aber nicht gewillt, das Kraftwerk weiterzubetreiben, wie er in seiner Antwort schreibt. «Ein Weiterbetrieb inklusive Neukonzessionierung des Wasserkraftwerks Oederlin lohnt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht.» Gemäss Einschätzung von Fachleuten der Regionalwerke Baden würden die Sanierung und der Weiterbetrieb des Kraftwerks aus diversen Gründen zu überproportional hohen Kosten führen.

«Die Neukonzessionierung wäre mit beträchtlichen finanziellen Abgeltungen an den Kanton sowie aufwendigen ökologischen Ausgleichs- und Aufwertungsmassnahmen verbunden», heisst es in der Antwort. Hinzu kämen der Ersatz wesentlicher Teile der technischen Einrichtungen und bauliche Eingriffe am alten Kraftwerksgebäude. Nicht zuletzt steht das ganze Kraftwerksgebäude unter Denkmalschutz – eine Erneuerung wäre darum nur unter erschwerten Bedingungen umsetzbar.

«Kleinwasserkraft ist in der Politik umstritten»

Der Stadtrat teilt zwar die Ansicht der FDP-Politiker, «dass Wasserkraft eine wertvolle erneuerbare Energiequelle ist». Allerdings sei die Kleinwasserkraft im Vergleich zu grösseren Kraftwerken teilweise problematisch. «Bei kleinen Kraftwerken sind die Eingriffe und Auswirkungen auf die Umwelt sowie die Kosten pro produzierte Energiemenge wesentlich ungünstiger als bei grösseren Kraftwerken. Deshalb ist die Kleinwasserkraft in der Politik umstritten.»

Wasserkraft ist für die Stromproduktion in Baden von grosser Bedeutung. Die fünf städtischen Limmatkraftwerke bis und mit Turgi produzieren jährlich rund 90 Millionen Kilowattstunden Strom. Das entspricht rund der Hälfte des Strombedarfs der gesamten Stadt, wobei der Strom nicht eins zu eins ins Badener Netz fliesst, weil die Limmatkraftwerke zu Teilen auch dem Kantonswerk AEW Energie AG gehören.

Laut dem Energiekoordinator der Stadt, Christian Vogler, wäre das Oederlin zu klein, um einen grossen Einfluss auf die Wasserstromproduktion zu haben.

Aus Sicht des Stadtrats gibt es darum lohnenswertere Investitionen in die zusätzliche Produktion von Wasserkraft. Erstens wäre der Ausbau des Kraftwerks Turgi eine Option; zweitens eine Erhöhung des sogenannten Stauziels beim Wasserkraftwerk Kappelerhof um 30 Zentimeter, wofür allerdings eine Ausweitung der bestehenden Konzession notwendig wäre. Und drittens könne beim Wasserkraftwerk Aue durch ein neues Laufraddesign eine Produktionssteigerung erreicht werden.

FDP: «Brachliegendes Potenzial dringend nützen»

Laut Esther Frischknecht, Stefan Jaecklin und Adrian Humbel (alle FDP), die sich für einen Weiterbetrieb des Kraftwerks eingesetzt hatten, ist die Antwort des Stadtrats nachvollziehbar. «Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Investitionen in zusätzliche Stromproduktion mit Wasserkraft entlang der Limmat lohnenswerter und müssen priorisiert werden.»

Das brachliegende Potenzial etwa bei den Kraftwerken Kappelerhof und Aue müsse dringend genutzt werden, «und wir erwarten, dass die aufgezeigten Produktionssteigerungen zeitnah realisiert werden».

Die Antwort des Stadtrats zeige schonungslos auf, dass es für die Stromproduktion enorme Hürden und unzählige Auflagen zu erfüllen gebe. Die FDP-Politiker schreiben: «Wir sind überzeugt, dass die Ziele der Energiestrategie nur erreicht und die drohenden Stromlücken nur vermieden werden können, wenn alle erneuerbaren Energiequellen und insbesondere die Wasserkraft als ganzjährig verfügbare Quelle genutzt werden können. Dies bedingt eine rigorose Vereinfachung der Bewilligungen solcher Anlagen.»