Baden hat sich in den letzten Jahren zu wenig entwickelt. Das bringt Gefahren mit sich: Der Wochenkommentar über die Stadtentwicklung und die derzeitige Situation in Baden.
Ein genauer Blick auf die vergangenen zehn Jahre Stadtentwicklung führt zu einer erschreckenden Bilanz: Baden ist kaum vom Fleck gekommen. In verschiedenen Problemfeldern wie Entwicklung, Verkehr, Wohnungssituation, gesellschaftliche Entfremdung, regionale Zusammenarbeit, Kultur, Ladenmix, Standortqualität – um nur einige zu nennen – fehlen weitgehend sichtbare Anstrengungen, die zukunftsweisend und – wie der viel zitierte Begriff im Stadthaus heisst – nachhaltig wären. Der Stadt Baden ist tatsächlich die Prosperität abhandengekommen. Welche Gefahr das mit sich bringt, führt uns das Sprichwort «Stillstand ist Rückschritt» vor Augen. Noch drastischer ist die Feststellung, dass es nicht nur an realisierten Projekten – womit nicht allein Bauprojekte gemeint sind – fehlt, sondern auch an Ideen und vor allem an Visionen.
Seit bald zehn Jahren dümpelt die Stadt Baden so vor sich hin. Wer die Stadtentwicklung kritisch verfolgt, kommt zu dieser Feststellung. Baden ist derzeit übersät mit Planungsruinen: Bäderquartier, Kurtheater, Bahnhof West (Südhaus), Stadtturmstrasse, Kriesi-Areal, Brown-Boveri-Platz, Bärengraben und so weiter. Die Schulbauten stehen bei der Realisierung in der Warteschlange. Wäre am 3. Juli nicht Baubeginn am Schulhausplatz, müsste von «tote Hose» gesprochen werden. Von den Plänen im Brisgi oder im Galgenbuck hört man nichts mehr. Die Staulage hemmt aber auch private Initiativen. Die Teilrevisionen der Bau- und Nutzungsordnung gehen schleppend voran. Die Entwicklung auf gewissen Arealen kommt nicht vom Fleck. Die Konsequenz daraus ist jedoch, dass weiterführende Ideen und Visionen ausbleiben. Weil es im Bäderquartier nicht vorwärtsgeht, kann sich der Limmatraum nicht entwickeln. Weil die Wohnbaustrategie nicht umgesetzt wird, herrscht weiter Not an Wohnraum. Es muss beileibe nicht die verrückte Idee sein, das Schloss Stein wieder aufbauen zu wollen.
Es fehlt auf verschiedenen Stufen der offensichtliche Wille dazu, gegen diesen Dämmerzustand anzukämpfen und etwas zu verändern. Doch: «Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte», sagte einst Deutschlands Bundespräsident Gustav Heinemann, und er wusste, wovon er sprach. Leider ist derzeit nicht einmal spürbar, was Baden bewahren möchte. Das Berufsschulzentrum BBB war der letzte grosse Wurf, den die Stadt Baden zustande brachte. Ansonsten sind beigenweise Planungs- und Konzeptpapiere entstanden: Velokonzept, Fusswegkonzept, Kulturkonzept, Wohnbaustrategie, Quartieranalysen, Masterplan Limmatraum und so fort. Doch Nägel mit Köpfen, die vermisst man an allen Ecken und Enden. Wohlformulierte Vorgaben in Planungsleitbildern werden nahezu zur Makulatur und nach einigen Jahren durch ein Nachfolgepapier abgelöst. Der Realisierungsgrad jedoch ist sehr bescheiden geblieben.
Zu allem Übel wird die gouvernamentale Lethargie jetzt noch durch knapper gewordene Finanzen gestützt. Die bürgerliche Mehrheit im Einwohnerrat und der rot-grüne Stadtrat bezirzen einander in Spar-Euphorie. Fazit: Die Vorwärtsentwicklung der Stadt wird ausgeblendet und die letzten kreativen Energien in der Verwaltung werden durch das Sparprojekt «Optima» absorbiert, das zu allem hin aufgrund des lateinischen Wortstammes noch «das Beste» suggeriert.
Es wäre nicht ganz gerecht und zu einfach, wenn man die Schuld nun einfach der jetzigen oder vorherigen Stadtregierung oder Gerigate zuschieben wollte. Doch es ist unbestreitbar, und daran ändern auch die kleinen gemachten Vorwärtsschritte nichts: Seit dem Abgang des früheren Stadtammanns Sepp Bürge hat die Stadtentwicklung viel an Schwung verloren. Es fehlt auf der gesamten Führungsebene an Kräften, die das Heft in die Hand nehmen, was die Entwicklung nach innen betrifft, aber auch das Zusammenfinden und Bündeln der Kräfte in der Zentrumsregion. Es kann doch nicht sein, dass vier Jahre, nachdem die Verantwortlichen das Zusammenschlussprojekt mit Neuenhof bachab gehen liessen, in dieser Angelegenheit immer noch Funkstille herrscht. Ebenso wie die Exekutive müssen die Parteien, Einwohnerräte, Kommissionen jetzt in die Pflicht genommen werden. Darum: Baden, erwache endlich!