Baden
Streit um 19-Franken-Ticket auf Ricardo: Obergericht spricht Käufer frei

Ein Mann wurde vom Bezirksgericht Baden wegen Nötigung schuldig gesprochen, weil er das Geld für ein Ticket eines Konzertes, das wegen Corona abgesagt wurde, mit unmissverständlichen Worten zurückverlangt hatte. Er zog das Urteil weiter – mit Erfolg.

Claudia Laube
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Im Februar 2021 wurde der Beschuldigte vom Bezirksgericht Baden schuldig gesprochen.

Im Februar 2021 wurde der Beschuldigte vom Bezirksgericht Baden schuldig gesprochen.

Chris Iseli

Im Zentrum der Geschichte steht ein Ticket für ein Konzert der Elektropop-Sängerin Halsey, das am 2. März 2020 in der Samsung-Hall Zürich stattgefunden hätte. Uwe (alle Namen geändert) hatte es auf Ricardo von einer Lea aus dem Kanton Bern für 19 Franken (inklusive Porto) gekauft.

Wegen Corona wurde das Konzert abgesagt, worauf Uwe das Geld von Lea zurückforderte. Mehrfach und mit den Worten, dass er ihr sonst «grosse Probleme bereiten könne» und «zur Not morgen früh im Schulhaus die Polizei kommen und alles Weitere klären» werde. «Dermassen in Schrecken und Angst versetzt», habe sie sich um das Wohlergehen ihrer Kinder gesorgt und dem Beschuldigten den Kaufpreis zurückerstattet. So stellte es der Staatsanwalt in der Anklageschrift zur Verhandlung vor dem Bezirksgericht Baden dar. Zu dieser war es im Februar 2021 gekommen, weil Uwe gegen deren Strafbefehl von 300 Franken Busse plus 800 Franken Gebühren Einsprache erhoben hatte.

Uwe gab sich hier wortkarg und bestritt, jemals mit einer Lea Kontakt gehabt zu haben. Die Badener Einzelrichterin sah seine Schuld jedoch als erwiesen an und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 900 Franken und einer Busse von 300 Franken.

Nebst den Drohungen wurde dies auch damit begründet, dass er ihr ziemlich unmissverständlich angedeutet habe, ihr Probleme betreffend ihrem Aufenthaltsstatus in der Schweiz bereiten zu können, was in keinem Verhältnis zum Betrag von 19 Franken gestanden habe. «Selbst eine besonnene Person hätte sich in der gleichen Lage in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt gefühlt», so das Bezirksgericht Baden.

Statt mit Rückzahlung, mit einer Strafanzeige reagiert

Diesen Schuldspruch hat Uwe nun mit Erfolg beim Aargauer Obergericht angefochten. Dieses kommt zum Schluss, dass sich das Bezirksgericht «in unzulässiger Weise vom angeklagten Sachverhalt entfernt beziehungsweise diesen ergänzt und interpretiert» und damit den Anklagegrundsatz verletzt habe. So bestimme die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Darin seien die zur Last gelegten Delikte präzise zu umschreiben.

Aus der Anklage ergebe sich aber weder, dass Uwe Lea mit Anwälten gedroht noch angedeutet habe, ihr wegen ihres Aufenthaltsstatus Probleme bereiten zu können. Das Bezirksgericht habe dies aus diversen anderen E-Mail-Nachrichten zusammengetragen, deren Inhalt aber nicht ausdrücklich in der Anklageschrift erwähnt wurden. Das Obergericht geht deshalb davon aus, dass die Staatsanwaltschaft dies für die angeklagte Nötigung nicht als relevant angesehen hat.

Lea habe aber nicht mit einer Rückerstattung des Kaufpreises reagiert, sondern mit einer Strafanzeige – «und dies auch erst drei Wochen später». Als die Polizistin bei der Einvernahme nachhakte, ob sie das Geld nun zurückerstattet habe, antwortete Lea, dass sie das zwar vorhatte, jedoch wieder vergass, «da sie momentan viel um die Ohren habe mit ihren Kindern und ihrem Ex-Mann».

Veranstalter drohte mit rechtlichen Schritten

Zurückbezahlt hatte sie das Ticket erst Ende Mai, nachdem ihr der Konzertveranstalter in einem Mail schrieb, ihr das Geld überwiesen zu haben und ihr mit rechtlichen Schritten drohte, falls sie es inzwischen weiterverkauft hätte. Dies offenbar nachdem sich Uwe an den Veranstalter gewandt hatte, wie das Obergericht schreibt.

Das Gericht geht deshalb davon aus, dass die in der Anklage aufgeführte E-Mail-Korrespondenz Lea «nicht unmittelbar zur Rückerstattung des Kaufpreises bewog» und demzufolge keine Nötigung vorliege.

Zudem habe der Beschuldigte die Kinder von Lea nicht erwähnt, «zumal nicht einmal klar ist, dass er überhaupt gewusst hat, dass die Privatklägerin Mutter ist». Auch stellte er nicht in Aussicht, selbst «im Schulhaus» zu erscheinen. Vielmehr erscheine es möglich, dass er davon ausging, es handle sich bei der Privatklägerin um eine Schülerin, so das Obergericht. Etwas anderes lasse sich dem Beschuldigten jedenfalls nicht nachweisen.

Aus all diesen Gründen hält das Obergericht auch nicht für relevant, dass Uwe an der Verhandlung in Baden bestritt, jemals mit einer Lea Kontakt gehabt zu haben, und ihr vorwarf, die Mails gefälscht zu haben.

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