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Marc Niedermann gewinnt den Open-Net-Schreibwettbewerb der Solothurner Literaturtage. «In der Schule hatte ich Mühe, und auch nach der Lehre wusste ich nicht recht, wohin mit mir», erzählt er. Vier Jahre reist er als Rucksacktourist um die Welt – dann geht plötzlich der Knopf auf.
«Während draussen die Schatten kriechen» ist die Geschichte, mit der Marc Niedermann die Jury der Solothurner Literaturtage 2021 überzeugte. Der Kurztext über Partys, Drogenmissbrauch, einen schrecklichen Unfall und Schuldgefühle ist bisweilen düster. Da heisst es zum Bespiel einmal: «Ich wusste nicht, wie es sich anfühlt, wenn die Sucht, dieser Vielfrass, mit Koks und Keta genährt, feist und fett, sich in die Synapsen hinein frisst, sich festsaugt und seine Metastasen im ganzen Körper verteilt.» Ein autobiografisches Zeugnis seiner Vergangenheit?
«Ich würde das Ganze eher als autofiktional beschreiben», sagt der 25-jährige Lockenkopf, der im Gespräch eher schüchtern und zurückhaltend wirkt.
«Ich war zwar früher gerne im Ausgang und habe Drogen probiert. Doch denke ich, dass meine Hemmschwelle gross genug war, um nicht richtig tief in die Sucht zu fallen.»
Die Gefahr eines Absturzes sei jedoch zeitweilig durchaus da gewesen. Denn bevor Niedermann zu seiner wahren Passion fand und 2020 in Biel anfing, Literatur zu studieren, war ihm seine Bestimmung lange Zeit überhaupt nicht klar.
«In der Schule hatte ich Mühe. Ich war ein Träumer und lass lieber Fantasy-Literatur, als Mathe zu büffeln.» Weil Niedermann ein besonderes Faible für Pflanzen hatte, schloss er eine Lehre zum Zierpflanzengärtner ab. Doch wirkliche Befriedigung gab ihm die Ausbildung keine. «Auch nach der Lehre wusste ich nicht recht, wohin mit mir.» Vier Jahre reiste er als Rucksacktourist mit Zug und Bus quer durch Europa, Asien, Südamerika und Australien. «Ich wollte mir klar werden, was ich im Leben brauche, um glücklich zu sein.» Dazwischen arbeitete er als Aushilfe im Gartenbau, um Geld für den nächsten Trip zu verdienen. Zum einzigen Fixpunkt im rastlosen Leben entwickelte sich das Schreiben von eigenen Kurztexten und Reiseerlebnissen. Das wurde sein Anker. Und dann ging plötzlich der Knopf auf.
Marc Niedermann entschied sich, Erwachsenenberufsmatur in Kunst und Gestaltung nachzuholen, damit er Literatur studieren konnte. Jetzt hat er bereits das erste Studienjahr hinter sich und wohnt wegen der Uni in einer WG in Biel. Zurzeit absolviert er den Bachelor am Schweizerischen Literaturinstitut an der Hochschule der Künste in Bern. Das Manuskript für einen Roman in der Schublade. Sein Erfolg an den Solothurner Literaturtagen – er hat den «OpenNet-Schreibwettbewerb» gewonnen – bestätigt ihn in seinem Tun. Als Preis bekommt er ein professionelles Lektorat, zudem stehen mehrere Lesungen auf dem Programm.
Der Vater des vielversprechenden Literaturtalents ist Musiker Nic Niedermann, die Mutter Fotografin Christine Zenz. Bruder Yannic ist mitten in der Ausbildung zum Master für Bewegung und Gesundheit. «Ich bin im Bäderquartier in einem sehr behüteten Elternhaus und zudem gut situierten Land aufgewachsen», ist sich Marc Niedermann bewusst.
Dank meiner Eltern hatte ich das Privileg, mir viel Raum und Zeit für meine persönliche Entwicklung zu nehmen und meine wahre Leidenschaft zu entdecken.»
Dafür arbeitet er mittlerweile hart. Und hat seinen Zenit noch lange nicht erreicht.