Baden
Von der seelenlosen Maschine zum Drahtzieher: Im Historischen Museum wächst ein Hotel-Fahrstuhl über sich hinaus

Zwei Schwestern machen in ihrer Installation einen «überepochalen» Lift zum Hauptdarsteller. Während den Vorbereitungen sind sie auf schriftliche Zeugnisse von Hotels zu schwierigen und angenehmen Gästen gestossen.

Elisabeth Feller
Drucken
Der Fahrstuhl im Historischen Museum wurde demjenigen im Hotel Blume nachempfunden.

Der Fahrstuhl im Historischen Museum wurde demjenigen im Hotel Blume nachempfunden.

zvg

Im Alltag ist er eine derartige Selbstverständlichkeit, dass man sich über ihn kaum den Kopf zerbricht. Sollte man aber hin und wieder. Denn der Lift oder – je nach individueller Vorliebe – Fahrstuhl vermag sehr wohl das Kleid eines harmlosen Transportmittels abzustreifen; beispielsweise in Louis Malles Film «Fahrstuhl zum Schafott». Da zeigt der Lift, dass er über Charakter verfügt. Er will partout keinen Mörder befördern, deshalb bleibt er einfach stehen.

Nun, zum Schafott geht es im Historischen Museum Baden nicht; zu einem «auf und ab» reicht es dem neuen Lift hingegen schon. Dieser ist dem berühmten, oft erwähnten Vorbild im Bäderhotel Blume nachempfunden: Er weist verschiedene design-historische Epochen auf und befindet sich, so Laura Haensler, «gewissermassen in einer überepochalen Schwebe».

Diese kann erleben, wer den Fahrstuhl auf der Galerie des Historischen Museums betritt, danach von Etage zu Etage gleitet und dabei von Fahrgeräuschen sowie von «haptischer, zeitgenössischer Musik» begleitet wird.

Ein Lift im Historischen Museum? Geht das überhaupt? Aber ja, sagen die Schwestern Stephanie und Laura Haensler, die als LAUTESkollektiv – ein Anagramm der Vornamen – seit einigen Jahren interdisziplinäre Projekte realisieren, wobei Stephanie als Komponistin und Laura als Designerin wirkt: Design befragt Komposition; zeitgenössische Musik trifft auf Objektkunst; Hörbares spiegelt sich in Sichtbarem.

Von schwierigen und angenehmen Gästen

Dass die beiden erneut zusammenspannen, verdankt sich dem Eunoia-Quintett, das seinen zehnten Geburtstag feiert: mit «auf und ab», einer Fahrstuhl-Installation, die Komposition, Design und Video vereint. Obschon der Lift im Historischen Museum ganz schön massiv aussieht, ist er aus Kulissenmaterial. Will heissen: aus Kartonplatten gefertigt, die in der eigenen Werkstatt der Haenslers zu einem Lift zusammengebaut worden sind.

Ein wirkliches «auf und ab» gibt es von der Galerie – mit Blick auf die vorbeirauschende Limmat – runter in den grossen Raum natürlich nicht; aber ein gedankliches. Stephanie Haensler:

«Der Fahrstuhl ist aus soziologischer und kulturgeschichtlicher Sicht viel mehr als nur ein vertikales Transportmittel.»

Nämlich? «Unser Protagonist befindet sich in einem Kurhotel von anno dazumal und wächst mit fortschreitendem Geschehen über seine angestammte Rolle als seelenlose Maschine hinaus, um selbst zum Drahtzieher zu werden.» Mehr soll hier nicht verraten werden.

«Luege, lose, aalange»: Dies wünschen sich die Geschwister Haensler. «Vor zeitgenössischer Musik muss man keine Berührungsangst haben», winkt Stephanie Haensler ab und kommt in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen der Vernissage am 5. November im Rahmen der «Hellen Nacht» und der bis 23. November sicht- und hörbaren Installation zu sprechen. «An der Vernissage findet eine Mischform aus Live-Performance und Installation statt. An diesem Abend wird die Sängerin Johanna Greulich einen Kurgast verkörpern; keinen besonders liebenswerten übrigens, denn dieser hat an allem und jedem etwas auszusetzen.»

Aus der Luft gegriffen sind die unhöflichen Bemerkungen keineswegs; die Haenslers sind bei ihren Recherchen auf schriftliche, akribische Zeugnisse von Hotels gestossen, die belegen, welche Gäste als «schwierig» und welche als «angenehm» eingestuft worden sind.

Nach der Vernissage wird das multisensorische Projekt in Baden noch drei Wochen installativ zugänglich sein, bevor es dann als Abschluss nach Basel transferiert wird. Wer die interdisziplinäre Komposition des LAUTESkollektiv ein zweites Mal live erleben möchte, fahre nach Basel: Im dortigen Gare du Nord wird das Eunoia-Quintett das Werk am 25. November noch einmal interpretieren. Und der Lift? Der wird selbstverständlich zur Stelle sein. Nicht umsonst ist er aus leichtem, deshalb gut transportierbarem Material gebaut worden.

«auf und ab»: vom 6. bis 23. November im Historischen Museum in Baden.