Baden
Von Oliver Kahn über Kamel Suleika: Das theatralische Multitalent Massimo Rocchi überzeugte mit seinen Verwandlungen

Am Wochenende begeisterte der italienisch-schweizerische Komiker das Publikum im Badener Kurtheater und nahm dabei beide Länder gleichwohl auf die Schippe.

Rosmarie Mehlin
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Auch mit mittlerweile ergrautem Haar vermag Massimo Rocchi sein Publikum noch zum Lachen bringen.

Auch mit mittlerweile ergrautem Haar vermag Massimo Rocchi sein Publikum noch zum Lachen bringen.

Bild: zvg

1957 in Italien in der Emilia-Romagna geboren, aufgewachsen in der «Erdbeeren-Metropole» Cesena und 1985 bei einem Besuch in der Schweiz hier hängengeblieben: Massimo Rocchi. Er ist Komödiant, Pantomime, Wortakrobat, Linguistiker, intellektueller Schelm, feinzeichnender Satiriker und war mit «Carte Blanche» am Freitag zu Gast im Kurtheater Baden.

Mutterseelenallein stand er auf der Bühne, fesselte knapp zwei Stunden lang das Publikum, brachte die Zuschauenden zum Schmunzeln, Lachen, Grinsen, zu zustimmendem Nicken und immer wieder auch zur Erkenntnis: Genauso ist es.

Genauso stand Oliver «der alles Kahn» jeweils zwischen den Latten des Deutschen Tores – mit dem Unterschied, dass Rocchi die kleinen Details im Verhalten eines grossen Torwarts pantomimisch so komödiantisch ins Scheinwerferlicht rückte, dass man den Ball förmlich fliegen und die allseits bekannten Flüche an die Adresse der Verteidigungsspieler förmlich hören kann.

Italien und die Schweiz auf die Schippe genommen

Ist Rocchi nun eigentlich ein Italiener mit hellrotem Pass oder ein Schweizer mit violettem Passaporto? Was auch immer – jedenfalls switchte er ständig verbal, mimisch, gestisch und inhaltlich zwischen jeweils landestypischen Ausdrucks- und Verhaltensweisen hin und her.

Haarscharf auf den Punkt gebracht, frech überzeichnet, aber nie desavouierend oder ins Lächerliche gezogen, hielt Rocchi Schweizern und Italienern in verschiedensten Beziehungen ihre jeweiligen Spiegel vor. Und zwischendurch bekamen auch les Français ihr Fett weg.

Seine witzigen Erläuterungen darüber, wie drei von Hannibals Elefanten in Rapperswil gelandet waren, war ebenso eine Hommage an den Zirkus wie seine verblüffende Verwandlung in das Kamel Suleika, die am Freitag nicht weniger die Lachmuskulatur des Publikums strapazierte als sein Abstecher in einen Yogakurs, sein (wortloser) Proll-Macho, seine Exkurse zu Calida Pyjamas oder den Eierschalensollbruchstellenverursachern.

Der Künstler begeistert noch genauso wie früher

Rocchis Haar ist mittlerweile ergraut, die Geheimratsecken sind ausgeprägter geworden, doch der Künstler, der da auf der Bühne stand, scheint weit davon ein frischgebackener AHV-Rentner zu sein: Zu mitreissend waren nach wie vor seine Bühnenpräsenz und seine umwerfende Mimik und Gestik, zu hoch war das Tempo, in dem Rocchi nahtlos die Themen wechselte und die Leichtigkeit, mit er temperamentvoll mit grandiosen Wortspielereien jonglierte.

Kaum zu glauben, dass eben dieser Massimo Rocchi bereits 1989 das Badener Publikum als Truffaldino in Goldonis «Diener zweier Herren» in einem Gastspiel vom Stadttheater Bern begeistert hatte. Ebenso wie ein Jahr später mit seiner ersten – damals rein pantomimischen – Soloproduktion «Spiagge Italiane».

Inzwischen waren weitere Soloprogramme gefolgt, war er 2001 mit «Circo Massimo» durch Deutschland und Österreich getourt und 2003 im Jubiläums-Programm «200 Jahre Familie Knie» ein Highlight unterm Chapiteau.

Der Titel «Carte Blanche» dieses 15. Solo-Programms ist eigentlich nichtssagend, liess dem Künstler aber jegliche Möglichkeiten offen, was er – wie könnte es anders sein – grossartig ausschöpfte. Unter anderem entführte er sein Publikum mit der bekanntesten Arie aus Rossinis «Il Barbiere di Siviglia» auch kurz in die Welt der Oper.

Am Schluss hätte das lange und heftig applaudierende Publikum es dem Figaro wohl beinahe gleich getan und lauthals «Ah, che bel vivere, che bel piacere – bravo Massimo, bravo, bravo, bravissimo!» angestimmt.