Baden
25 Jahre Familienzentrum Karussell: Sie kämpfen gegen Klischees und für junge Eltern

Der Verein Karussell behauptete sich trotz wiederkehrenden finanziellen Problemen und kann dieses Jahr sein 25-Jahr-Jubiläum feiern. Dass das möglich ist, hat man der Stadt Baden und vielen Freiwilligen zu verdanken. Betriebsleiterin Petra Gerster und Wegbereiterin Margaritha Mülli blicken zurück und in die Zukunft.

Sibylle Egloff Francisco
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Ein Treffpunkt für Familien: Wegbereiterin Margaritha Mülli und Betriebsleiterin Petra Gerster stehen im Hauptraum des Familienzentrums Karussell an der Haselstrasse.

Ein Treffpunkt für Familien: Wegbereiterin Margaritha Mülli und Betriebsleiterin Petra Gerster stehen im Hauptraum des Familienzentrums Karussell an der Haselstrasse.

Bild: Alex Spichale

Neugierig wuseln Kleinkinder durch den Raum. Sie entdecken die Spiellandschaft und einige mustern den Blitz der Fotokamera mit grossen Augen. Ihre Mütter tauschen sich beim Znüni mit anderen Frauen aus. «Die Krabbelgruppe am Morgen ist beliebt, gegen 60 Familien nehmen das Angebot in Anspruch. Wir führen sogar eine Warteliste», sagt Petra Gerster.

Die 54-Jährige ist die Betriebsleiterin des Familienzentrums Karussell in Baden, das heuer sein 25-jähriges Bestehen feiert. Begangen wird das Jubiläum mit einer Party-Woche vom 12. bis 16. Juni mit diversen Aktivitäten wie Bobbycar-Rennen oder einer Kinder-Disco.

Seit 2015 ist das Familienzentrum an der Haselstrasse 6 zuhause.

Seit 2015 ist das Familienzentrum an der Haselstrasse 6 zuhause.

Bild: Alex Spichale

Das Refugium für Familien ist seit 2015 an der Haselstrasse 6 in Baden beheimatet. Es lockt mit internen und externen Angeboten wie Kinderhütedienst, Familien-Yoga, Baby-Konzerten, Väter-Kinder-Frühstück, fremdsprachigen Spielgruppen, Mütter-Väter-Beratungskursen oder Deutschunterricht für fremdsprachige Mütter aktuell rund 20'000 Besucherinnen und Besucher jährlich an.

«Es ist schön, so viele Eltern hier anzutreffen. Das hilft, die Familien möglichst früh abzuholen», sagt Margaritha Mülli, eine der Wegbereiterinnen des Vereins. Dass dieser Treffpunkt bis heute existiert, ist Mülli sowie vielen anderen Freiwilligen zu verdanken, die anpackten, um ihre Vision wahr werden zu lassen.

«Dass es uns immer noch gibt, ist ein grosser Erfolg. Wir waren eine Gruppe von rund 20 Frauen, die um Anerkennung und Geld kämpfte», erinnert sich Mülli. Die 76-jährige Badenerin war 17 Jahre lang im Vorstand des Vereins tätig, davon elf Jahre lang als Präsidentin.

Die Gründerinnen mussten gegen Klischees ankämpfen

Ankämpfen mussten die Gründerinnen auch gegen Klischees. «Wir waren entgegen der vorherrschenden Meinung keine gelangweilten Frauen, die einen neuen Ort für ihre Kaffeekränzchen suchten», erzählt Mülli.

Das aktuelle «Karussell»-Team von links: Evelyn Schaller, pädagogische Mitarbeiterin, Jana Heimgartner, Buchhaltung und Administration, Petra Gerster, Leitung, Milva Coradi, Administration, und Kathrin Burger, Kommunikation.

Das aktuelle «Karussell»-Team von links: Evelyn Schaller, pädagogische Mitarbeiterin, Jana Heimgartner, Buchhaltung und Administration, Petra Gerster, Leitung, Milva Coradi, Administration, und Kathrin Burger, Kommunikation.

Bild: zvg

Die Geburt eines Kindes sei ein einschneidender Moment im Leben. Es sei wichtig, die jungen Eltern bei der schönen, aber auch herausfordernden Aufgabe zu unterstützen. «Unser Ziel war es, Eltern und vor allem jungen Müttern, die in ihrer neuen Rolle oftmals Isolation erleben, im Familienzentrum Halt und Möglichkeiten zum Austausch zu geben», sagt Mülli.

Gegründet wurde der Trägerverein Mütter- und Familienzentrum Karussell am 26. März 1998. Der erste Standort des Treffpunkts war das Pfrundhaus am Kirchplatz 3. Die Räume wurden von der katholischen Kirchgemeinde Baden gratis zur Verfügung gestellt.

Setzen sich für das Wohl von Familien aus der Region ein: Margaritha Mülli, Gründungsmitglied des Familienzentrums und langjährige Präsidentin, und Petra Gerster, Betriebsleiterin seit 2021.

Setzen sich für das Wohl von Familien aus der Region ein: Margaritha Mülli, Gründungsmitglied des Familienzentrums und langjährige Präsidentin, und Petra Gerster, Betriebsleiterin seit 2021.

Bild: Alex Spichale

Nichtsdestotrotz plagten das Familienzentrum ständig Geldsorgen. Von der Stadt Baden wurde der Verein ab 2004 jährlich mit einem Betrag bedacht. Mit den 10'000, danach 14'000 und am Schluss sogar 20'000 Franken kam man jedoch kaum über die Runden: «Um zu sparen, wurde die Entschädigung der Mitarbeiterinnen gestrichen und das Pensum der Betriebsleitung von 40 auf 20 Prozent gekürzt. Das führte dazu, dass das Zentrum zeitweise nicht täglich offen stand», sagt Mülli.

Betriebsleiterinnen kündigten, weil sie keine Sicherheit hatten, und auch der Vorstand wollte den Verein 2012 auflösen, weil er sich ohne konkrete Perspektive für neue Räume nicht imstande sah, das «Karussell» weiterzuführen.

Die Stadt Baden sprang in die Bresche

«Die Stadt Baden schaltete sich schliesslich ein, weil sie das Familienzentrum nicht sterben lassen wollte. Sie suchte nach einem neuen Vorstand und stellte weitere finanzielle Mittel zur Verfügung», sagt Mülli, die im neuen Vorstand erneut das Präsidium übernahm.

Die Rettungsaktion war erfolgreich, sodass das Familienzentrum ein neues Zuhause an der Haselstrasse 6 fand. Dort konnte man sich im Parterre und im ersten Stock der Liegenschaft des Gemeinnützigen Frauenvereins Baden einmieten. Bezogen wurden die Räume nach einem Umbau im Januar 2015.

Die Aussicht auf ein neues, grösseres Heim half denn auch, die Politik vom Angebot zu überzeugen. Im Sommer 2014 hiessen die Einwohnerräte von Baden und Wettingen ein neues Konzept gut und bewilligten ein vier-jähriges Pilotprojekt.

Dank der finanziellen Unterstützung entwickelte sich das Familienzentrum weiter. Die Besucherzahlen stiegen stetig. Aufgrund der positiven Bilanz des Pilotprojekts gaben die Gemeinden Baden, Wettingen, Ennetbaden und Obersiggenthal grünes Licht für eine weitere Finanzierung. Mit der Stadt Baden wurde zusätzlich eine vierjährige Leistungsvereinbarung abgeschlossen.

Die Beharrlichkeit und der Einsatz der letzten 25 Jahre hat sich gelohnt. Um Anerkennung muss das Familienzentrum heute nicht mehr kämpfen. Fast 70 Prozent des finanziellen Jahresaufwands von 450'000 Franken werden von den Gemeinden und vom Kanton übernommen, 30 Prozent sind Eigenleistung. Die Vision für die Zukunft ist klar: «Das Zentrum soll jungen Eltern weiterhin Stabilität geben. Für Kleinkinder ist ein positives Umfeld besonders wichtig. Das ist nur möglich, wenn es den Eltern gut geht», sagt Mülli.

Der Fokus liegt auf der frühen Förderung, die immer mehr Bedeutung erhält. «Wir wollen unser Angebot diesbezüglich ausbauen. Was Kinder vor dem Kindergarten verpassen, ist fast nicht nachzuholen», sagt Betriebsleiterin Petra Gerster. Es sei wichtig, durch gezielte motorische, soziale und sprachliche Förderung die Chancengleichheit bei der Einschulung zu ermöglichen.

«Ich hoffe, dass uns dies trotz knapper Ressourcen gelingt. Der Bedarf ist nämlich grösser als das Angebot», sagt Gerster. Der Verein dürfte auch diese Hürde meistern. Das 25-Jahr-Jubiläum ist der beste Beweis dafür.

Jubiläumswoche

Vom 12. bis 16. Juni finden im Familienzentrum Karussell an der Haselstrasse 6 in Baden diverse Aktivitäten und Anlässe statt. Weitere Informationen auf karussell-baden.ch