Blaue Wände, Samtsessel und Kronleuchter: Das über 170-jährige Café Himmel am Bahnhofsplatz in Baden hat ein neues Interieur erhalten. Hansjörg Frei erzählt, wieso das Familienunternehmen trotz coronabedingter Einbussen investiert hat.
Wer seit der Öffnung der Gastro-Innenräume am Montag im «Himmel» auf ein Kafi mit Gipfeli vorbeischaute, hat das Badener Traditionscafé wohl kaum wiedererkannt: Statt weiss sind die Wände jetzt in einem kräftigen Blau gestrichen. Der alte, rote Teppich ist einem Parkettboden gewichen. Dazu Tische aus dunklem Eichenholz, wuchtige Sessel mit Samtüberzug und glitzernde Kronleuchter.
«Wow, Grand Café Baden», kommentiert eine Kundin die Bilder vom neuen Interieur auf Facebook. Eine weitere schreibt:
«Endlich wurde das schmuddelige Design erneuert. Kompliment – sieht sehr stylisch aus!»
Mit über 300 Likes stösst der Post der Bäckerei-Konditorei Frei AG online auf ein grosses Echo. Die positive Nachricht nach dem Bangen um die Zukunft des Kaffeehauses tut Badenerinnen und Badenern sichtlich gut.
Anfang 2019 wäre der über 170-jährige «Himmel» fast verschwunden. Kurz vor dem Konkurs übernahm das Familienunternehmen Frei mit Hauptsitz in Obersiggenthal das Badener Traditionscafé inklusive den beiden Himmel-Filialen an der Wettinger Landstrasse und im Langhaus. Letztere schloss nur vier Monate später. In einer AZ-Kolumne monierte Simon Balissat damals: «Schade, gelang die Übernahme nicht durch junge, innovative Gastronominnen oder Gastronomen. Ich wünschte mir ein nettes Kaffeehaus, indem Baristas ihre Arbeit verrichten, mit Interieur auf Wiener Kaffeehaus getrimmt.»
Hat die Familie Frei der öffentlichen Kritik Folge geleistet? «Dass Renovationen im Innenbereich überfällig sind, wussten wir schon bei der Übernahme», sagt Hansjörg Frei beim Gespräch im «Himmel», kurz nach dessen Wiedereröffnung. Eine Umfrage habe ergeben, dass die Mehrheit der Kundschaft einen neuen Look begrüssen würde. «Dies hat uns in unserem Vorhaben bestärkt», so Frei.
Wegen coronabedingter Einbussen habe die Familie die für Frühling 2020 geplante Renovation um ein Jahr verschoben. Dann der zweite Lockdown. Die Geschäftsleitung musste sich erneut dieselbe Frage stellen: Investieren trotz schwindender Reserven? Frei ist überzeugt:
«Die Renovation durchzuziehen, war die richtige Entscheidung.»
Er betont: «Die Kosten konnten wir tief halten, weil wir vieles selbst organisiert und gemacht haben.»
Das Konzept fürs Interior-Design hat Freis Frau, Muriel Schaad-Frei, entworfen. Die gelernte Dekorationsgestalterin sagt: «Was mir am alten ‹Himmel› gefehlt hat, ist das Ambiente.» Die weissen Wände seien zu kalt und neutral für ein Café. «Wir müssen mutig sein», das habe sie sich auch bei der Farbwahl gedacht.
Dass das Kaffeehaus ein «verstaubtes Image» hat, habe er vor allem seitens der jüngeren Kundschaft gehört, so Frei. Der Konditor-Confiseur ist überzeugt, mit der neuen Einrichtung – nebst der älteren Stammkundschaft – mehr Junge fürs Käfele im «Himmel» zu begeistern. Sein persönliches Highlight sind die neuen Sitzecken mit dunkelbraunen Lederpolstern an der langen Fensterfront. Solche habe es im «Himmel» schon zu seiner Jugendzeit gegeben. Frei sagt:
«In meinen Zwanzigern habe ich hier mit Freunden ganze Nachmittage verbracht. Wir haben Kaffee getrunken, Schach und Backgammon gespielt.»
Alte «Himmel»-Tradition bewahren und gleichzeitig den Charakter der Frei Familie miteinfliessen lassen: Diesen Ansatz hat Schaad-Frei im Speziellen bei der Wanddekoration befolgt – mit viel Liebe zum Detail. Im Estrich und im Keller des «Himmel»-Gebäudes entdeckte sie alte Zeichnungen vom ehemaligen «Tearoom», damals noch im Besitz der Familie Himmel. Diese hat sie eingerahmt und mit Fotos aus der Familienchronik der Freis ergänzt.
Nicht nur Bilder, auch ein Metallschild mit dem alten «Himmel»-Logo und Schokogussformen aus der Sammlung von Hansjörg Frei haben an den frisch gestrichenen Wänden einen Platz erhalten. Plötzlich alles blau statt weiss: Frei muss sich selbst noch ans neue Interieur gewöhnen. Die Freude, endlich wieder öffnen zu dürfen, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er sagt: «Es ist schön, dass nun endlich etwas Normalität zurückkehrt.»