In der neuen Sammlung des Historischen Museums Baden wird das Baden von Damals wieder zum Leben erweckt. Mithilfe eines Audioguides erfährt das Publikum intime Einblicke.
Mit sanfter Stimme begrüsst Göttin Venus die Besucherinnen und Besucher am Eingang des Landvogteischlosses. Optisch ist sie in Form einer Bronzestatuette präsent. Eines der schönsten Ausstellungsstücke im Museum, das der passionierte Hobbyarchäologe Franz Xaver Borsinger ausgegraben hat. Mit seiner Frau Mathilde betrieb er von 1897 bis 1909 das Hotel Blume in Baden. Das Gastwirtehepaar des damals noch florierenden Bäderquartiers und ihr Umfeld sind zentrale Figuren in der neuen Dauerausstellung des Historischen Museums Baden.
Mit Audioguide und Kopfhörer bestückt wird das Publikum über die Wendeltreppe in den dritten Stock geleitet. Dort wartet Apollo auf seine Gäste: «Komm herein, tritt näher. Ich hab dich schon erwartet», sagt er mit sonorem Timbre. Der Gott der Heilkunst gibt eine Einführung in den Kurbetrieb. Eine ausgeklügelte Technik macht möglich, dass er jede Person ganz persönlich anspricht. Neun Schauspielerinnen und Schauspieler haben die verschiedenen Ausstellungsstationen besprochen. Das Hinhalten des mitgegebenen Guides reicht, um ihre Kommentare auszulösen.
Die neue Dauerausstellung «Schwatz und Schwefel» entspricht keiner herkömmlichen musealen Präsentation. Vielmehr ist es ein sinnlicher Erlebnisrundgang, auf dem Interessierte hautnah in vielschichtige Welten des einstigen Kurbetriebs im Bäderquartier eintauchen können. Nichts ist hinter Vitrinen verschlossen, sondern alles spür- und greifbar. Geräusche von Dampflokomotiven sind zu hören, das Trappeln von Pferdehufen, die damals das Gepäck ins Bäderquartier transportiert haben. Sogar das Kurorchester spielt zum Empfang auf.
Und dann sitzt der Besucher plötzlich in kuscheligen Plüschsesseln in der Hotellobby, wo Mathilde Borsinger ihre Gäste willkommen heisst. Zeit und Raum werden vergessen. Vor allem, wenn der Gong erklingt und jeder den bis aufs letzte Detail authentisch eingerichtete Speisesaal betreten darf. Auch dort können die Ausstellungsgegenstände nicht bloss betrachtet werden. Die Ankömmlinge dürfen sich an einen der gedeckten Tische setzten und über die Kopfhörer Geschichten von Hotelpianist Pierre und prominenten Stammgästen wie Hermann Hesse und Jakob Burckhardt zuhören. Zeitschriften von damals, Tagebuchnotizen und vieles mehr liegen auf, um darin zu stöbern. An den Wänden hängen Fotos der zahlreichen Hotelspeisesäle, die es damals gab. Blume, Bären, Grand Hotel, Verenahof.
Hoteliersgattin Borsinger leitete den Familienbetrieb praktisch alleine. Ihr Mann Franz Xaver war mehr an Archäologie interessiert und grub zahlreiche Preziosen aus, die zu einem grossen Teil im neueren Teil Museums zu besichtigen sind.
Weiter geht es in das Haute-Couture-Atelier von Louise Gläser. Sie war die Nummer eins, um die vornehme Gesellschaft einzukleiden, welche nach Baden zur Kur kam. Auch dort erwarten die Anwesenden besondere Überraschungen. Genauso wie in der vollständig eingerichteten Praxis vom einstigen Kurarzt Doktor Minich. Die multimediale Ausstellung setzt im Museumsbereich neue Massstäbe: Besucherinnen und Besucher stehen nicht mehr vor Schaukästen, sondern begeben sich in die Welt von damals.
«Wir haben den dritten Stock im Landvogteischloss vollständig umgestaltet», sagt Museumsleiterin Carol Nater. «Dies war dank der grosszügigen Unterstützung des Kantons möglich. Die Reaktionen vom Publikum sind bisher überwältigend.» Sie wünscht sich, dass ihr Erlebniskonzept nun auch auf andere Bereiche des Landvogteischlosses ausgeweitet werden kann.