Baden/Ennetbaden
«Es ist nicht gewiss, ob sich der ‹Glögglifrosch› wieder ansiedelt»: So setzt sich dieser Verein für Natur und Tiere ein

Nicolas Bircher ist Anwärter auf das Präsidentenamt des Natur- und Vogelschutzvereins Baden und Ennetbaden. Er berichtet von seinen Beweggründen, den wichtigsten Projekten und was wir alle zum Schutz der Natur beitragen können.

Jeanine Kemper
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Nicolas Bircher ist im Vorstand des Natur- und Vogelschutzvereins (Navo) Baden/Ennetbaden.

Nicolas Bircher ist im Vorstand des Natur- und Vogelschutzvereins (Navo) Baden/Ennetbaden.

Sandra Ardizzone/BAD

Jetzt, wo die Natur wieder erwacht, führt die Suche nach Erholung und Ruhe viele Menschen aus der Region auf den Ennetbadener Geissberg. Doch was für die Bevölkerung Entspannung bringt, kann eine Belastung für die Tier- und Pflanzenwelt bedeuten.

«Durch Covid haben die Leute wieder den Naturraum vor der Haustüre entdeckt», sagt Nicolas Bircher. Er ist im Vorstand des Navo, des Natur- und Vogelschutzvereins Baden und Ennetbaden. Auch beruflich ist Naturschutz bei ihm ein Thema: Bircher ist Projektleiter in der Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton Aargau. Dem Navo ist er 2016 beigetreten, 2018 wurde er in den Vorstand gewählt.

Nun stellt sich Bircher für das Präsidentenamt des Vereins zur Verfügung. Thomas Burger, seit über 20 Jahren Präsident vom Navo, tritt an der nächsten Generalversammlung Ende April zurück. «Die Arbeit in unseren Projekten und Kursen ist mir eigentlich wichtiger als das Amt des Präsidenten. Sofern aber niemand anders einspringen möchte, würde ich übernehmen», sagt Bircher.

Viele Arten brauchen bestimmte Förderungsmassnahmen

Kurz nachdem Bircher vor sechs Jahren nach Ennetbaden gezogen war, suchte er nach einem lokalen Naturschutzverein und stiess so rasch auf den Navo. Eines der Projekte zur Artenförderung, das Wendehals-Projekt, verstärkte sein Engagement.

In Bäumen und im Rebberg sind knapp 60 Nistkästen, verteilt in Gruppen, aufgehängt. Diese sind für den Wendehals als Bruthöhlen vorgesehen, eine zu den Spechten zählende Vogelart. Einst war dieser Vogel auch am Geissberg heimisch. Doch mittlerweile ist er aus vielen Teilen der Schweiz verschwunden und auf gezielte Fördermassnahmen angewiesen. «Nebst offenen Bodenstellen für die Nahrungssuche muss das entsprechende Höhlenangebot vorhanden sein. Der Wendehals hat gerne mehrere Höhlen auf kurze Distanz. Diese zimmert er jedoch nicht selber», sagt Bircher.

Einer der Nistkästen für den Wendehals.

Einer der Nistkästen für den Wendehals.

Sandra Ardizzone

Er verweist auf ein weiteres Projekt des Navo, das Biotop «Ehemaliger Steinbruch Geissberg». Dieses wurde 2019 umgesetzt, nachdem ein Mitglied des Vereins dessen Potenzial entdeckt hatte. «Im Naturschutz sollte man eine oder mehrere Zielarten vor Augen haben», sagt Bircher. Eine Zielart sei eine Pflanzen- oder Tierart, auf welche die Schutz-, Aufwertungs- oder Pflegemassnahmen ausgerichtet werden.

Dabei sind sie auf die Geburtshelferkröte gestossen, auch bekannt unter dem Namen «Glögglifrosch». Diese Amphibienart paart sich an Land. Anschliessend trägt das Männchen die Eier so lange mit sich herum, bis diese so weit entwickelt sind, dass die Larven im Kontakt mit Wasser davon schwimmen können. Die sonnenexponierten Hänge des Steinbruchs stellen einen sehr geeigneten Lebensraum dar. Ergänzt wurde dieser noch durch mehrere künstlich angelegte Tümpel in der Grube.

«Es ist nicht gewiss, ob sich der ‹Glögglifrosch› wieder ansiedelt, aber wir haben einen Lebensraum geschaffen, der das Potenzial dazu hätte», sagt Bircher. Das Biotop käme aber auch anderen Arten zugute, so konnten in den vergangenen Jahren andere Amphibienarten nachgewiesen werden, aber auch für Insekten und Pflanzen stellt es einen Lebensraum und Rückzugsort dar.

Hier ist einer der künstlich zugefügten Weiher im Biotop «Ehemaliger Steinbruch Geissberg» ersichtlich.

Hier ist einer der künstlich zugefügten Weiher im Biotop «Ehemaliger Steinbruch Geissberg» ersichtlich.

Sandra Ardizzone/BAD

Nebst den Projekten zur Artenförderung ist der Naturschutzverein immer wieder am Badener Markt vertreten und bietet auch Kurse an. Eine wichtige Aufgabe vom Navo sei, Wissen zur lokalen Flora und Fauna zu sammeln, zu vermitteln und in Naturschutzanliegen einzubringen. So lernen die Teilnehmer der Kurse zum Beispiel verschiedene Vogelarten kennen und deren Nistplätze zu identifizieren. Dieses Wissen sei zum Beispiel bei Bauvorhaben wertvoll. «Wenn wir die Nistplätze kennen, können wir darauf aufmerksam machen und allenfalls Schutz- und Ersatzmassnahmen in einem Bauprojekt erwirken», so Bircher.

Im eigenen Garten kann mit dem Naturschutz anfangen werden

Und was können wir alle zum Erhalt der Artenvielfalt in der Gegend beitragen? «Schutzgebiete und Wildruhezonen stellen wichtige Lebensräume und Rückzugsorte für unsere heimischen Pflanzen und Tiere dar. Solche Gebiete gilt es beim Verweilen in der Natur zu respektieren», sagt Bircher. Ebenso helfe es, wenn die Leute im eigenen Garten oder auf ihrem Balkon auf einheimische Pflanzen setzen. Diese seien Futterquellen für viele heimische Insekten, die wiederum den Vögeln als energiereiche Nahrung dienten.

«Die heimische Flora und Fauna verbindet eine lange gemeinsame Entwicklungsgeschichte», sagt Bircher. Gebietsfremde Pflanzen seien dagegen meist nur für wenige heimische Tierarten von Nutzen. Die Bevölkerung solle zudem keine Hemmungen haben, ein wenig Unordnung im Garten zuzulassen. Verblühte Stauden seien zum Beispiel Nahrungsquellen für verschiedene Vögel im Winter und Rückzugsorte für Insekten.

Der sonnenexponierte Hang des Biotops «Ehemaliger Steinbruch Geissberg». Eines der Projekte vom Navo.

Der sonnenexponierte Hang des Biotops «Ehemaliger Steinbruch Geissberg». Eines der Projekte vom Navo.

Sandra Ardizzone/BAD

«Im offenen Kulturland steht es kritisch um die Vogelvielfalt. Die landwirtschaftlich intensive Nutzung verunmögliche vielen Vogelarten eine erfolgreiche Brut», sagt Bircher. Es würden geeignete Nistplätze und die Zeit zur Aufzucht der Jungen fehlen. «Ein weiterer Faktor ist das Insektensterben, das auf den intensiven Gebrauch von Pestiziden, Überdüngung und die damit einhergehende Verarmung der Flora zurückzuführen ist.»

Nebst dem Verlust an geeignetem Lebensraum habe in der Zukunft der Klimawandel sicher den grössten Einfluss auf die Vogelvielfalt in der Gegend, sagt Bircher. «Extreme Wetterereignisse sowie klimatische Veränderungen hier und in den Überwinterungsgebieten werden vielen Vogelarten stark zusetzen.»