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Die Mitinitianten der Badener Notschlafstelle, Kurt Adler und Daniela Fleischmann, über die Herausforderungen im täglichen Betrieb.
«Menschen in Not ein unkompliziertes, kurzfristiges Obdach, warme Mahlzeiten und eine professionelle Betreuung bieten», das ist das erklärte Ziel des Vereins Notschlafstelle Aargau. Seit genau einem Jahr, seit dem 1. September 2019, verfolgt er dieses Ziel im Rahmen eines dreijährigen Pilotprojekts im Haus Erhart an der Oberen Halde, mitten in der Altstadt Badens: Hier, in der einzigen Notschlafstelle im Kanton, finden Menschen in Krisensituationen Hilfe.
Da es sich dabei um mehrheitlich suchtkranke Personen handelt, gab es Bedenken aus der direkten Nachbarschaft, ob das negative Auswirkungen haben könnte.
Doch die haben sich nicht bewahrheitet: «Inzwischen erhalten wir von Nachbarn auch Butterzöpfe geschenkt», sagt Kurt Adler, Vereinspräsident und Leiter der Fachstelle Diakonie der römisch-katholischen Landeskirche Aargau – neben dem christlichen Sozialwerk Hope einer von sechs Trägern des Vereins.
Das gute Einvernehmen mit der Nachbarschaft sei aber auch der unermüdlichen Arbeit der Leiterin der Notschlafstelle, Susi Horvath, zu verdanken, die stets das Gespräch suche und offen auf die Menschen zugehe.
Von September 2019 bis Ende Juni 2020 haben 149 Personen 1455 Nächte im Haus Erhart verbracht. Insgesamt gibt es zwölf Betten, die je hälftig in Notpension und Notschlafstelle unterschieden werden. In der Pension dürfen Personen unbefristet bleiben, in der Notschlafstelle bis zu zwei Monate.
«Das war einer der Punkte, den wir inzwischen angepasst haben, erst war die maximale Verweildauer nur auf zwei Wochen ausgelegt», so Adler, der das Mandat als Präsident in seiner Funktion als Leiter Diakon bei der katholischen Landeskirche innehat.
«Was ich gar nicht erwartet hätte, war die gute Auslastung von Beginn weg», sagt Adler. Es habe seit Bestehen der Stelle nur dreimal niemand dort übernachtet. Leicht mehr Männer als Frauen aus dem ganzen Kanton klopfen an die Tür, grösstenteils sind sie von Schweizer Nationalität: «Das ist auch unser Zielpublikum.»
Im Oktober standen die Verantwortlichen aber plötzlich vor einem unerwarteten Problem: Arbeitsmigranten. «Zu Beginn haben wir ihnen erlaubt, zu kommen, doch nach einer Woche wurden wir quasi überschwemmt, das Haus war voll», sagt Daniela Fleischmann, Geschäftsleiterin des Hope und treibende Kraft beim Aufbau der Stelle.
Deshalb hätten sie den Entscheid fällen müssen, dass Arbeitsmigranten ohne Aufenthaltsbewilligung nur eine Nacht bleiben dürfen: «Damit wir sie wenigstens nicht in der Nacht wegschicken müssen.» Seit dem Lockdown seien sie mit diesem Problem aber kaum mehr konfrontiert.
Apropos Corona: «Wir sind froh, dass wir die ganze Zeit offenhalten konnten, natürlich unter Einhaltung der Regeln», so Fleischmann. Das Angebot sei auch während des Lockdowns gut genutzt worden – und zum Glück habe niemand wegen Überbelegung abgewiesen werden müssen, weil in dieser Zeit pro Zimmer nur eine Person anwesend sein durfte.
Fleischmann spricht den vier Angestellten und den rund 20 Freiwilligen grosses Lob aus. Der Umgang mit den Gästen sei nicht immer einfach: «Es ist mir eine grosse Freude zu sehen, wie unser Personal diese Arbeit mit viel Engagement und Professionalität macht und immer wieder bereit ist, diesen Menschen mit Würde entgegenzutreten, auch wenn sich gewisse Menschen entwürdigend verhalten.»
Die Notschlafstelle ist dabei auch nicht einfach eine kurzfristige Auffangstelle, sondern bietet Hilfe: «Nach einer gewissen Zeit müssen die Menschen unsere Sozialberatung aufsuchen, weil wir genau abklären wollen, was los ist», erklärt Fleischmann.
Die Zeit, die man dank der Notschlafstelle mit diesen Menschen gewinne, das sei «sensationell», bekräftigt sie. Mehr als 50 Prozent der Gäste, wie sie hier genannt werden, machten den Weg von der Notschlafstelle über die Notpension ins Wohnheim oberhalb des Hope-Restaurants an der Stadtturmstrasse. Dort werden sie betreut und auf ihrem weiteren Weg unterstützt.
Alles in allem können Adler und Fleischmann ein freudiges Fazit aus einem Jahr Notschlafstelle ziehen. Dennoch: «Im Grunde ist es traurig, dass die Stelle so gut läuft und es ein solches Angebot überhaupt braucht.»