Umfrage
Badener sind unzufrieden mit den Velowegen: «Wie Verkehrsmittel zweiter Klasse»

Eine neue Umfrage zeigt: Die Bevölkerung ist unzufrieden mit den Velowegen in der Stadt. Den Präsidenten von Pro Velo Region Baden überrascht das Ergebnis nicht.

Frederic Härri
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Baden positioniert sich als Velostadt. Doch werden genügend Massnahmen für den Radverkehr ergriffen? SAN/AZ-Archiv

Baden positioniert sich als Velostadt. Doch werden genügend Massnahmen für den Radverkehr ergriffen? SAN/AZ-Archiv

Sandra Ardizzone

Im März und April hat die Stadt Baden eine Umfrage unter Bewohnern, Pendlern und Besuchern durchgeführt. Anlass dazu bot das städtische Raumentwicklungskonzept. Befragte konnten ihre Sicht zu Themen wie dem Arbeitsplatzstandort, Einkaufen und Freizeit oder Mobilität darlegen. Kürzlich wurde die Umfrage ausgewertet; 1015 Antworten sind bei der Stadt eingegangen. Auffallend sind dabei vor allem die Meinungen zur Mobilität. Ganz zuoberst auf der Liste der Verbesserungswünsche: der Veloverkehr.

Ganze 38 Prozent der Befragten sprechen sich für Anpassungen im Bereich Velo aus. Zum Vergleich: Massnahmen für den Bus- und öV-Verkehr werden lediglich von 13 Prozent gefordert. Priorität haben gemäss der Befragung separate und sichere Velowege (17 Prozent), gefolgt von mehr (11 Prozent) und durchgängigen Velowegen (10 Prozent).

Hubert Kirrmann, Präsident von Pro Velo Region Baden, überrascht das Ergebnis nicht. Sein Verdikt fällt deutlich aus: «Der Stadt fehlt eine Velo-Infrastruktur mit einem klaren Konzept.» Als Hauptkritikpunkt macht er die grossen Achsen in Richtung Stadtzentrum aus – insbesondere die untere Mellingerstrasse aus Richtung Schadenmühleplatz. «Viele ziehen es vor, dort auf dem Trottoir zu fahren, weil die Strassenüberquerung zu gefährlich ist», so Kirrmann.

Investitionen in den Veloverkehr seien in den letzten Jahren nur vereinzelt vorgenommen worden. Eine langfristige und nachhaltige Vision sei nicht vorhanden, sagt Kirrmann weiter. Er moniert, dass Massnahmen für den Autoverkehr priorisiert würden, während beim Veloverkehr gespart werde. Als Beispiel nennt er die Velostation Baden. Diese habe weniger als 1 Prozent des Schulhausplatzes gekostet und sei dennoch die grösste Ausgabe der letzten zehn Jahre fürs Velo gewesen. Aus Kirrmanns Sicht müssten mehr finanzielle Mittel für den Veloverkehr aufgewendet werden. Sein Eindruck: «Velos werden in Baden wie Verkehrsmittel zweiter Klasse behandelt.»

Schneider: Offen für Veränderungen

Vorwürfen, die Stadt setze sich zu wenig für Velowege ein, hält Stadtammann Markus Schneider (CVP) entschieden dagegen. Man sei laufend daran, Massnahmen im Bereich Velo zu ergreifen. Erst vor wenigen Wochen habe der Stadtrat das Fahrverbot bei der Gstühl-Unterführung aufgehoben. «Dadurch ist ein weiterer Durchgang für den Veloverkehr entstanden.» Allgemein sei der Wille da, den Fokus – etwa bei Projekten wie der Ostaargauer Strassenentwicklung (Oase) – mehr und mehr auf den Langsamverkehr zu legen, zu dem auch das Velo gehört.

In diesem Zusammenhang nennt Schneider Örtlichkeiten, die angepasst werden könnten. Wie Hubert Kirrmann spricht auch er die innere Mellingerstrasse in Richtung Baden an. Aber auch die Feinjustierung der Ampeln sei verbesserungswürdig. «Für Radfahrer ist es mühsamer, bei Rot zu warten als für Autofahrer», merkt Schneider an. Zudem fasst der Stadtammann die Wochen- und Jahrmärkte ins Auge. Wenn in der Weiten Gasse die Stände aufgestellt werden, führe das wiederholt zu Konflikten mit dem Veloverkehr, so Schneider.

Ein weiteres Thema für viele Velofahrer: die Cordulapassage beim Schulhausplatz. Die Erhebung der Umfrage zum städtischen Raumentwicklungskonzept datiert aus dem Frühling, im Sommer wurde der neu gestaltete Schulhausplatz eingeweiht. Meinungen zur neuen Situation an der Stelle flossen in die Umfrage also nicht mit ein.

Wären die Ergebnisse anders ausgefallen, wenn man die Daten erst nach der Eröffnung erhoben hätte? Hierfür wagt Markus Schneider keine Aussage. «Das wäre reine Spekulation.» Aber: Viele Velofahrer würden es schätzen, wenn sie mit dem Fahrrad durch die Cordulapassage fahren könnten, so Schneider. Natürlich gebe es auch beim Schulhausplatz noch Raum für Verbesserungen. Eine Kennzeichnung für die beiden Durchgänge in Richtung Hochbrücke beispielsweise. «Dort kann man sicher noch eine Signalisation anbringen», findet Schneider. Alles in allem aber funktioniere das Zusammenspiel von Fuss- und Veloverkehr. «Die Beteiligten kommen bisher gut aneinander vorbei.»

Mehr Mitspracherecht gefordert

Anders sieht das Hubert Kirrmann. Dass die Velofahrer durch die Tunnelgarage beim Schulhausplatz einen direkten Zugang zum Bahnhof erhalten haben, bewertet er zwar positiv. «Sie ist eine gute Alternative zur Weiten Gasse, besonders an Markttagen.» Mit der Cordulapassage an sich ist der 70-Jährige allerdings nur bedingt zufrieden. Fussgänger und Velofahrer würden «auf dieselbe Fläche gejagt», die Rampe Süd-West hinunter in die Unterführung sei zu steil und zu eng. Weil die Signalisation unklar sei oder gänzlich fehle, seien einige Stellen für Velofahrer unübersichtlich.

Bei künftigen Verkehrsprojekten in Baden wünscht sich Kirrmann in der Planung mehr Mitspracherecht für Pro Velo. Im Idealfall wird dies schon bald so weit sein: Der Stadtrat beabsichtigt, das neue Reglement für eine nachhaltige städtische Mobilität Anfang 2019 Verbänden und Interessengruppen zur schriftlichen Stellungnahme zuzustellen. Der Einwohnerrat hatte das Reglement vor einem Jahr zurückgewiesen, mit dem Auftrag, es einer breiteren Vernehmlassung zu unterziehen. Relevante Verkehrsteilnehmer sollen in der Mobilität also besser eingebunden werden, findet der Stadtrat. Das dürfte auch im Sinne von Pro Velo sein.

Gstühl-Barrieren werden angepasst

Mitte Oktober hob der Stadtrat bei der Unterführung Gstühl ein jahrelanges Fahrverbot auf, um die Verkehrsverbindung zum Bahnhof zu fördern. Als Sicherheitsmassnahme wurden beim Ausgang der Unterführung zwei Schranken montiert. Das sorgte für Kritik seitens des Quartiervereins Martinsberg. Weil die Barrieren zu eng aufeinanderliegen, sei die Durchfahrt für Velos mit Anhänger oder Cargo-Bikes stark eingeschränkt, hiess es. Nun scheint auch der Stadtrat der Ansicht zu sein, dass eine Anpassung notwendig ist: «Der Abstand zwischen den Barrieren wird etwas grösser, damit Radfahrer mit Anhänger die Stelle passieren können», sagt Stadtrat und Sicherheitsvorsteher Matthias Gotter (CVP) auf Anfrage. Dies sei bei einer gemeinsamen Begehung, an der auch ein Vertreter des Quartiervereins Martinsberg anwesend war, beschlossen worden. Für die Änderung lässt die Stadt keine Zeit verstreichen: «Der Abstand der Barrieren soll noch diese Woche angepasst werden», so Gotter. (HÄR)