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Mäni Fuchs, Fasnächtler, einziger Wettinger, der ein Badener Stadtoriginal ist, wird heute 90 Jahre alt.
Schon beim Eintreten in die Wohnung von Mäni Fuchs in einem Mehrfamilienhaus in Wettingen wird das Fasnachtsfieber spürbar: Der Blick fällt auf die Vollmasken an den Wänden, die mit künstlerischem Geschick bis ins kleinste Detail gestaltet wurden.
Sie erzählen die Geschichte mehrerer Jahrzehnte Fasnacht. Mäni Fuchs weiss noch jedes Sujet: den Spielteufel, als Baden eine Spielbank eröffnen durfte, die Post, den Swissair-Niedergang, Bankskandale und die vielen andern.
Mit Stolz zeigt Mäni Fuchs auf die Urkunde der Spanischbrödlizunft, die ihn für seine «närrischen Verdienste» an der Cordulafeier 2008 ehrte. Als «Sparer der Nation» holte er sich noch mit 79 Jahren vorderste Plätze an den Maskenbällen.
Jahrelang platzierten ihn die Jurys auf dem ersten oder zweiten Platz. Einmal, da landete er am FC-Maskenball nur auf Rang vier. Da gab es einen tröstenden Zweizeiler für ihn, den er präsent hat, als wäre es erst gestern gewesen: «Du bisch zwar nur Vierte worde, Mäni, doch für euis alli bisch du trotzdem s Zäni.»
«Die meisten guten Fasnachts-Ideen hatte ich auf der Toilette», erzählt Mäni Fuchs, und sein schelmisches Lächeln geht über sein Gesicht. Er nimmt einen Ordner zwischen den vielen Fotoalben hervor und zeigt, wie er mit dem Bleistift zuerst Skizzen von den Masken und den Requisiten gezeichnet hatte. Er arbeitete zwei Monate lang, bis Kostüm, Maske und Utensilien so präpariert waren, wie er es sich vorgestellt hatte. «Als ich in Basel war, durfte ich in einer Clique den Fasnächtlern über die Schultern schauen», erklärt er. Die halbe Wohnung sei jeweils zur Künstlerwerkstatt mutiert, das habe seine Frau manchmal fast die Wände hinaufgetrieben. Sie besorgte ihm jedoch die Näharbeiten, sagt Mäni Fuchs.
Seit vielen Jahren sind die beiden getrennt, «doch wir haben es immer noch gut miteinander», erzählt Mäni Fuchs. Oft hole ihn seine Frau zum Essen ab, er sei froh darüber. «Das Fahrwerk will halt nicht mehr so Recht», erklärt er, und hört dann sofort wieder auf mit dem Klagen. Abgesehen davon, dass es ihn ein paar Mal gesundheitlich «durchgeschüttelt» habe, gehe es ihm gut. «Ich habe viel Schönes erleben dürfen», meint er. Wenn möglich mischt er sich noch heute unter das Volk. Freuen tue er sich über Besuch, besonders wenn es die Tochter sei. Den 90. Geburtstag wird er heute im Kreise von Freunden feiern.
«Ich hatte mit niemandem Streit», sagt Mäni Fuchs, zufrieden und doch mit ein bisschen Wehmut. Wehmut darum, weil er nicht mehr so bei Kräften ist. «Nicht mal staubsaugen kann ich mehr», sagt er und lacht. Und dann kommen die Erinnerungen an die Zeiten, als die Vögel bereits gepfiffen hätten, als er nach Hause gekommen sei. Wenn er heute draussen unterwegs sei, dann freue er sich, dass ihn noch so viele kennen würden. «Ich weiss natürlich von den meisten den Namen nicht mehr», sagt er und deutet mit dem Finger gegen den Kopf. Beim Gehör sei es anders, dieses funktioniere ja dank des Hörapparates. «Vor allem mit den jungen Leuten habe ich es gut gehabt», sagt er, um gleich mit Schalk anzufügen: «Nicht nur mit den jungen Frauen.» Für einen guten Draht zur Jugend war er als Lehrmeister bei der Gutor bekannt. Viele Lehrlinge und Lehrtöchter begleitete er auf ihrem Weg.
Mäni Fuchs wurde ausserdem bekannt durch seine Glatze und seinen urchigen Schnauz, sie waren seine Markenzeichen. «So kam ich neben meinem Beruf sogar zu einer Model-Karriere», erzählt Mäni Fuchs stolz. Weit und breit hatte er die schönste Glatze, hiess es. So blickte er einem auf Werbeplakaten oder Prospekten entgegen, unter anderem für die Raiffeisenbank. Ausgerechnet mit der Glatze habe er jedoch heute ein Problem, schildert er: «Die Glatze bekommt Falten». Und er kennt den Grund und sagt lachend: Weil sein Bierbäuchlein geschrumpft sei, habe es eben «jetzt vörigi Huut uf em Chopf». Mäni Fuchs wurde wegen seines prägnanten Kopfes wiederholt für Festspiele und Theater als Charakterdarsteller engagiert: «Pfarrer oder Polizist», das seien meistens die Rollen gewesen.
Der gelernte Konstrukteur, der in Wädenswil aufwuchs, kam via Maschinenfabrik Oerlikon und Muttenz Anfang der Fünfzigerjahre in die Gutor nach Wettingen, wo er sich von Beginn weg wohlfühlte. «Ausser am ersten Tag, es war während der Fasnacht, da habe ich mich verschlafen», erinnert er sich. Er engagierte sich sogar einmal bei der Partei der Freien Stimmberechtigten politisch. Viel mehr als die Politik liebte er die Menschen und deren Feste.
Kein Wunder hatten es ihm die Badenfahrten «extrem» angetan. Ob der vielen Festerinnerungen geht ihm etwa das Wort «phänomenal» über die Lippen. Als neu zugezogener Wettinger war er früh vom «Winkelried» und vom «Grenzstein» nach «Bade übere gheit», sagte er. «Den Badener Geist gibt es sehr wohl», sagt Fuchs und erhebt die Hand mit erhobenem Zeigefinger. Doch er komme nicht einfach zu einem nach Hause, man müsse ihn suchen. Beim früheren Restaurant «Zur alten Brücke» habe er die Kronegässler kennen gelernt. So rutschte er in sein erstes Badenfahrt-Abenteuer. Nicht etwa als Service- oder Küchengehilfe, wie er erst gedacht hatte, sondern als Gottesfigur.
Mäni Fuchs kennt man in Baden überall. Nicht umsonst gilt er als Stadtoriginal. Man hat den freundlichen, stets zu Spässen aufgelegten Mann ins Herz geschlossen. Heute gehe er noch gerne ins «Go-In» zu Rolf Gnädinger, oder etwa ins «Isebähnli» oder ins «Hirschli». «So lange ich noch kann», fügt er an. Was danach komme, daran möge er jetzt nicht denken.