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Der Badener Weinhändler Daniel Cortellini ist ein Hochrisikopatient und begab sich Anfang März in Quarantäne – ganz bewusst.
Zu einem Zeitpunkt, als das Coronavirus in vielen Köpfen nur ganz am Rande präsent war oder schlimmstenfalls noch belächelt wurde, begab sich der Badener Weinhändler Daniel Cortellini bereits in Selbstquarantäne ins kleine Tessiner Dorf Verdasio im Centovalli.
Der Grund: Der bald 54-Jährige ist ein Hochrisikopatient, er leidet seit 30 Jahren an einer Autoimmunerkrankung. Bei solchen Krankheiten greift das Immunsystem den eigenen Körper an – weshalb es medizinisch unterdrückt wird. «Entsprechend ungemütlich wird es, wenn ich das Virus einfange, da wären Tür und Tor offen für ernsthafte Komplikationen», so Cortellini.
Deshalb sei für ihn schon relativ klar gewesen: «Entweder nehmen wir die Bedrohung ernst oder nicht. Nehmen wir sie ernst, dann sollte ich nicht mehr hier in der Region sein, zu gross ist meine tägliche Vernetzung.» Also begab er sich Anfang März in seine Wohnung in einem alten Tessiner Palazzo im Bergdorf Verdasio. Einige mögen nun spontan einwenden. «Selbstquarantäne ausgerechnet im Tessin, wo die Fallzahlen pro Kopf schweizweit am höchsten sind!?» Cortellini sagt dazu: «Hier oben leben genau 22 Menschen und es führt nur eine kleine Strasse zum verkehrsfreien Dorf. Hier fühle ich mich absolut sicher, zumal ich auch für mich einkaufen lasse.»
Und was macht Cortellini nun den lieben langen Tag? Langweile pur? «Nein, überhaupt nicht. Es ist verrückt, wie viel Aufwand es mit sich bringt, ein Geschäft jetzt runterfahren zu müssen.» Seit 23 Jahren betreibt Cortellini in der Badener Rathausgasse einen Weinhandel. «Man kann zwar weiter Wein über meinen Onlineshop beziehen. Doch seit Ausbruch der Krise habe ich rund 90 Prozent des Umsatzes verloren.» Er habe für sich und seine vier Angestellten Kurzarbeit beantragt. «Ich gehe realistischerweise davon aus, dass die Geschäfte bis in die Sommerferien hinein geschlossen haben müssen.» Immerhin sei Anfang letzter Woche seine Frau Rita zu ihm gestossen, nachdem sie sich selber zwei Woche in Quarantäne begeben habe, um ihren Mann sicher nicht anzustecken.
Auf die Frage, was Quarantäne und Abgeschiedenheit mit ihm – der ja nicht gerade dafür bekannt ist, ruhig sitzen zu können – machen, antwortet Cortellini. «Wenn ich mich nicht um Geschäftliches kümmere, kann ich mich sehr gut mit mir selber beschäftigen. Ich lese gute Bücher und unternehme längere Spaziergänge und Wanderungen.» Aber klar, er fühle sich auch ein Stück hilflos, weil er nicht vor Ort in Baden zum Rechten schauen könne. Was die sozialen Kontakte per E-Mail oder Handy betreffe, «so überläuft es fast ein bisschen». Er informiere sich täglich in der Zeitung – «natürlich der AZ» – über den neusten Stand. «TV schaue ich bewusst nicht, denn ich möchte mich nicht verrückt machen lassen.»
Dass seine Quarantäne nun eventuell bis Sommer dauern könnte, versucht Cortellini, positiv zu sehen. «Ich sehe es auch als grosse Chance, wieder etwas Boden zu finden und zu realisieren, wie klein man sich im Notfall machen kann.»
Das übliche Umsatzdenken sei grad vollständig zusammengefallen. «Dieses Jahr werden wir am Ende alle weniger in der Kasse haben, dafür hoffentlich noch leben.» Es gebe auch jetzt keinen Grund, zu klagen, erst recht, wenn man sehe, dass zum Beispiel jetzt gerade an Griechenlands Grenze das Coronavirus plus weitere wirklich grossen Dramen zusammen treffen würden. Aber für Corti ist klar: «Jetzt heisst es kämpfen und sich nicht kleinkriegen zu lassen.»