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Protest oder PR-Gag? Kunstraum und Museum Langmatt beurteilen die Schredder-Aktion des Künstlers Banksy.
Banksy hat es wieder einmal geschafft. Der weltberühmte Street-Art-Künstler hat die Kunstwelt in Schockstarre versetzt. Kaum war sein Gemälde «Girl with Balloon» am letzten Freitag im Londoner Auktionshaus Sotheby’s für 1 Million Pfund versteigert worden, zerstörte er es gleich selbst – mithilfe eines im Bilderrahmen eingebauten Schredders.
Medien schrieben vom «Kunst-Streich des Jahres», viele feierten Banksy für seine Auflehnung gegen die überbordenden Preise im Kunstmarkt. Doch nicht alle waren sich einig, ob hinter der vermeintlichen Protestaktion nicht einfach nur ein gelungener PR-Gag steckte.
Echte Kunstkritik oder gekonnter Marketing-Coup? Was hält man in zwei der wichtigsten Kunsthäuser in der Stadt Baden, dem Kunstraum und dem Museum Langmatt, von der Schredder-Aktion? «Es ist ein technisch raffinierter Bubenstreich», findet Claudia Spinelli, Kuratorin im Kunstraum Baden. Die Aktion sei sehr medienwirksam gestaltet worden. «Banksy hat schon in der Vergangenheit bewiesen, dass er die Klaviatur des Marketings perfekt beherrscht.»
Dem pflichtet auch Langmatt-Direktor Markus Stegmann bei. Banksy habe im globalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit mit der bewusst kalkulierten Selbstzerstörung ein «drastisches Spektakel» inszeniert. Die Aktion spiegle den Zeitgeist wider: «Die ökonomische Sichtweise auf Kunst ist zurzeit vorherrschend», sagt Stegmann. «Dass Kunst einen extremen Warenwert hat, ist bekannt und wird viel diskutiert. Sich darüber immer wieder eine neue Meinung zu bilden, gehört zur kritischen Auseinandersetzung dazu.»
Für Claudia Spinelli fehlt in der Aktion aber die inhaltliche Glaubwürdigkeit. «Es fällt schwer, im Schreddern des Bildes einen Akt der Verweigerung zu sehen.» Sie vermutet, dass in die Sache auch das Auktionshaus involviert gewesen sei. «Beide, sowohl der Künstler als auch Sotheby’s, haben profitiert. Jetzt ist das Bild ja noch teurer als zuvor!» In der Tat wird der Wert des (geschredderten) Gemäldes gemäss Experten nun auf das Doppelte geschätzt.
Der Schritt weg von der Strasse hin zur Versteigerung kommt aus Sicht von Claudia Spinelli zudem einem Bedeutungsverlust von Banksys Kunst gleich. «Street-Art braucht Reibung mit dem öffentlichen Raum. Steckt man sie in einen Bilderrahmen, mutieren die Motive zu belanglosen Souvenirs. Was bringt das Bild des Mädchens mit dem Ballon ohne die Wand, auf die es gesprayt wurde?»
Auch wenn die Aufrichtigkeit hinter der Aktion also zweifelhaft bleibt, hat sie vor allem eines gebracht: Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die bestimmt auch der lokalen Kunstszene gut zu Gesicht stehen würde. Ist eine Provokation à la Banksy in Baden vorstellbar? «Bei uns im Kunstraum weniger, weil wir nie solch wertvolle Kunstwerke ausstellen», sagt Spinelli. «Schnelllebiges Spektakel ist kein Ziel einer längerfristigen Museumsarbeit», meint auch Markus Stegmann, bevor er ergänzt: «Überraschungen und Subversives gehören aber immer dazu.»
Mit einem Instagram-Post zeigt Banksy, wie er den Schredder im Bilderrahmen einbaute: