Neuenhof
Bauverwalter geht in Rente: «Es gibt kein Quartier, das ich meiden müsste»

Peter Richiger verrät, weshalb er nie einem Verein beitrat, wann es laut wurde im Sitzungszimmer und weshalb er Neuenhof nie verliess

Martin Rupf
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ALEX SPICHALE

Während 44 Jahren hat Peter Richiger für die Gemeinde Neuenhof gearbeitet. Die letzten zehn Jahre leitete er die Abteilung Bau. Wie lange Richiger auf der Gemeinde gearbeitet hat, zeigt ein Blick in die Geschichtsbücher. Im Jahr 1972, als er seine Arbeit auf der Gemeinde aufnimmt, ist Richard Nixon noch Präsident der Vereinigten Staaten und die Olympischen Sommerspiele in München werden von der Geiselnahme der israelischen Athleten überschattet. Obwohl Richiger seit Ende Oktober offiziell pensioniert ist, empfängt er den Journalisten für das Interview im Gemeindehaus.

Herr Richiger, wie viel Bestechungsgelder haben Sie in all den Jahren erhalten?

Peter Richiger: Bestechungsgelder? Keine (lacht). Weshalb meinen Sie?

Während Ihrer Tätigkeit auf der Bauverwaltung gingen laut Ihrer eigenen Aussage rund 3200 Baugesuche über Ihren Tisch. Da gab es doch bestimmt Versuche, Sie günstig zu stimmen?

Ich muss Sie enttäuschen. Bestechungsgelder flossen nie und hätten auch nichts genützt. Mein Team und ich haben uns bei jedem Gesuch strikt an die Gesetze und Vorschriften gehalten.

Trotzdem: Sie sind in Neuenhof aufgewachsen und haben Ihr ganzes Leben hier verbracht. War diese Nähe nicht auch manchmal ein Problem?

Nein. Es gibt keine Strasse oder kein Quartier, das ich heute meiden müsste, weil mir dort wegen eines abschlägigen Entscheids Ungemach drohen würde (lacht). Auch Interessenskonflikte gab es wegen der Nähe keine. Und doch war die Nähe manchmal ein Problem.

Weshalb?

Egal, wo ich auftauchte, die Gespräche drehten sich sehr schnell um meine Arbeit. Nicht selten kam es zudem vor, dass am Sonntagmorgen das Telefon bei mir zuhause klingelte, weil jemand noch Mobiliar für ein Fest benötigte. Ich war quasi während 7 Tagen und 24 Stunden bei der Arbeit; ja man kann sagen, ich hab für meine Arbeit gelebt. Das war manchmal für meine Frau nicht ganz einfach. Gleichwohl habe ich versucht, so gut es geht, Privates und Berufliches zu trennen. So bin ich bewusst keinem Verein beigetreten, um so nicht in irgendwelche heiklen Abhängigkeiten zu geraten.

Sie haben eine Ausbildung als Hochbauzeichner gemacht. Weshalb haben Sie nicht den Weg in Richtung Architektur eingeschlagen, sondern sind stattdessen auf der Verwaltung
gelandet?

Weil mir von Anfang an klar war, dass man auf einer kommunalen Bauverwaltung mehr macht, als nur zu zeichnen und Baugesuche abzustempeln. Vielmehr kann man auf der Bauverwaltung das Orts- und Quartierbild mitgestalten; das hat mich immer gereizt.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag?

Ja. Man kann sagen, Schulbauten haben mich von Anfang an eingenommen. Ich hatte am ersten Arbeitstag gleich eine Begehung auf der Baustelle des neuen Schulhauses Zentrum und am Nachmittag die erste Bausitzung.

Auf die Realisierung welchen Projekts sind Sie besonders stolz?

Viel Hingabe und Energie habe ich in das Hotelprojekt bei der Autobahnausfahrt gesteckt, wo anstelle des ehemaligen «Mirage» bis im Frühling 2018 ein 2-Sterne-Hotel mit 100 Zimmern entstehen soll. Die ganze Planung hat rund acht Jahre in Anspruch genommen. Trotz anfänglichem Nein vom Kanton ist es uns nun gelungen, das Projekt zu realisieren, indem wir nie aufgegeben haben und alle Beteiligten immer wieder an den Tisch geholt haben. Zusätzlich hat mich die Schulraumplanung seit über zehn Jahren zeitlich intensiv beansprucht. Im Sommer 2017 werden die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

Ihre grösste Niederlage?

Sicherlich das Nein zum
geplanten Gemeindesaal 1986 an der Urne. Uns gelang es nicht, die Bevölkerung vom Projekt zu überzeugen.

Apropos überzeugen. Wie gingen Planer und Investoren damit um, wenn es ihnen nicht gelang, Sie für ein Projekt zu überzeugen; Sie also kein grünes Licht gaben?

Manchmal wurde es tatsächlich laut im Sitzungszimmer (lacht). Doch für uns als Gemeinde war es immer wichtig, qualitativ zu wachsen. Auf keinen Fall wollten wir Präjudizien schaffen, indem wir da und dort ein Auge zugedrückt hätten. Da mussten wir manchmal standhaft bleiben. Mehr als einmal haben sich Investoren nach einer Sitzung lange Zeit nicht mehr gemeldet. Doch wir wussten immer: Die kommen wieder.

Sie haben in all den Jahren nie den Wunsch verspürt, noch etwas anderes zu sehen als Neuenhof?

Natürlich gab es Phasen, wo ich mich umgeschaut habe und auch sehen wollte, was mein Marktwert ist. Doch am Schluss entschied ich mich, hierzubleiben – Neuenhof ist mein Zuhause, privat wie beruflich. 44 Jahre sind in der Tat eine sehr lange Zeit. Ich glaube auch nicht, dass ich es so lange auf einer anderen Abteilung ausgehalten hätte. Doch auf der Bauverwaltung wurde es nie langweilig. Insbesondere nach dem Fusions-Nein aus Baden im Jahre 2010 und der daraus beschlossenen Strategie «Vorwärts» ging die Post nochmals so richtig ab, wie man im Volksmund sagen würde.

Sie haben mit Paul Fischer, Ruedi Stutz, Walter Benz und Susanne Voser mit vier Gemeindeammännern zusammengearbeitet. Wer hat Sie am meisten geprägt?

Walter Benz kann ich sicher als meinen Förderer bezeichnen. Auch mit Susanne Voser hat die Zusammenarbeit immer sehr gut geklappt.

Walter Benz war es auch, der 2003 zusammen mit Ihnen und dem damaligen Gemeindeschreiber Marcel Muther für die Realisierung des Baregg- Festes verantwortlich zeichnete. Hatten Sie neben Ihrer Tätigkeit als Stv.-Bauverwalter überhaupt Zeit hierfür?

Das war in der Tat ein Hosenlupf, aber rückblickend auch eines der absoluten Highlights! Wir haben quasi Tag und Nacht gearbeitet; es hat sich gelohnt. Ich denke dabei an das schöne Festzelt auf dem neuen Autobahndach, an den Empfang von Bundesrat Moritz Leuenberger, den wir plötzlich organisieren mussten, oder an das Konzert von Sarah Connor im Esp. Weil wir kein Budget hatten, gingen Benz, Muther und ich erfolgreich auf Sponsorensuche und brachten so rund eine halbe Million Franken zusammen. Allein die Miete für das Festzelt hat uns fast 200 000 Franken gekostet.

Sie haben vorher die Strategie «Vorwärts» erwähnt. Geht es denn mit Neuenhof tatsächlich vorwärts?

Ja, davon bin ich überzeugt. Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn ich etwa an die neu entwickelten Quartiere Quer, Kreuzsteinwiese oder Sandstrasse denke. Auch die revidierte BNO ist auf gutem Weg. Jetzt hoffen wir nur noch auf ein Ja an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung am 27. März 2017. Die Gesamtrevision wird die Gemeinde Neuenhof weiter vorwärtsbringen. Ziel ist und bleibt es, ein attraktives Stadtquartier zu werden.

Stadtquartier? Sie glauben also nach wie vor an eine Fusion?

Ja, wieso nicht. Aber erst einmal geht es darum, das Image von Neuenhof weiter zu verbessern und aufzuzeigen, wie viel Potenzial wir haben, wenn ich nur etwa an das attraktive Naherholungsgebiet oder den öffentlichen Verkehr denke.

Seit dem 31. Oktober sind Sie offiziell pensioniert. Trotzdem arbeiten Sie noch einen Tag pro Woche hier auf der Verwaltung, um die Schulprojekte zu Ende zu führen und die neue BNO bis zum Abschluss der Einwendungsverhandlungen zu begleiten. Besteht da nicht die Gefahr, dass Sie Ihrem Nachfolger Manuel Heiniger dauernd dreinreden?

Nein, wir trennen das ganz sauber. Ich mische mich ganz sicher nicht ein, schon gar nicht in die Führung der Abteilung. Ich stehe Manuel Heiniger aber jederzeit mit Rat zur Seite, wenn er dies wünscht. Ich hoffe, dass er von der Bevölkerung das gleiche Vertrauen bekommt, das ich seinerzeit geniessen durfte. Eines darf man nicht vergessen: Anders als zum Beispiel auf einer Steuerverwaltung, wo alle Akten fein säuberlich sortiert sind, gibt es auf der Bauverwaltung vieles, das nur in meinem Kopf abgelegt ist. Den Beruf des Bauverwalters kann man nicht erlernen, man muss ihn erarbeiten und erleben. Ich bin quasi ein wandelnder Aktenschrank (lacht).

Hat Ihre Frau auch Freude daran, dass Sie trotz Pensionierung weiterarbeiten?

Ja, so können wir uns quasi gestaffelt an unser gemeinsames Rentnerdasein gewöhnen (lacht).

Und Ihnen ist an den restlichen vier Tagen schon langweilig?

Überhaupt nicht, ich fülle die anderen Tage bisher sehr gut aus. Es tut mir sogar richtig gut, nur noch einen Tag zu arbeiten, weil es jetzt «da oben nicht mehr dauernd schaffed» (zeigt auf seinen Kopf).