Oberweningen
Beim Gassigehen: Gatte einer Gemeinderätin reisst Wahlplakat runter

In Oberweningen wird der Gemeinderatswahlkampf zur Schlammschlacht: Im Volg filmt eine Kamera spätabends einen Mann mit weissem Hündchen, wie er draussen ein Wahlplakat abreisst. Der Mann einer Gemeinderätin gibt zu, dass er das war.

Nadja Rohner
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Beim Gassigehen: Gatte einer Gemeinderätin reisst Wahlplakat runter.

Beim Gassigehen: Gatte einer Gemeinderätin reisst Wahlplakat runter.

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Nicht ganz 1800 Einwohner zählt die Wehntaler Gemeinde Oberweningen. Sechs davon stellen sich am Sonntag zur Wahl in den Gemeinderat – vier Bisherige, zwei Neue. Einen eigentlichen Wahlkampf gibt es kaum.

Trotzdem liessen sich die vier Bisherigen und ein neuer Kandidat für gemeinsame Wahlplakate ablichten. Diese hängen seit Anfang März an verschiedenen Stellen im Dorf – und werden immer wieder abgerissen. «Bisher sind rund zwölf Stück abhandengekommen», sagt Gemeinderat Richard Ilg, der die Plakate bezahlt hat.

Kamera filmt den Täter

Lange rätselte Oberweningen, wer dahintersteckt. Dann, als der Täter eines Nachts das Plakat beim Eingang der Volg-Filiale abriss, kam Kommissar Zufall dem Gemeinderat zu Hilfe. Ilg: «Eine Sicherheitskamera im Laden filmt durch die gläserne Schiebetür nach draussen. Die Volg-Angestellten haben sich so über die Tat geärgert, dass sie sich extra die Aufnahmen angesehen haben.»

Und tatsächlich: Am 16. März, um 21.35 Uhr, tritt ein Mann mit Hund ins Bild. Er reisst das Plakat neben der Schiebetüre von der Wand, zerknüllt es, trägt es weg. Das Corpus Delicti wird tags darauf wenige Meter weiter in einem Container gefunden.

Die Volg-Angestellten übergaben das Video dem Gemeindepräsidenten, dieser informiert Richard Ilg. Alle vier sind sich sicher: Bei dem gefilmten Täter handelt es sich um den Ehegatten einer noch amtierenden Gemeinderätin. Der Mann ist Mitarbeiter eines grösseren Unternehmens in Baden. Ilg sagt: «Er ist deutlich erkennbar, genauso wie sein kleines weisses Hündchen.»

Anzeige gegen Gemeinderätin ...

Rückblick: Ende 2013 zog diese Gemeinderätin ihre Kandidatur für eine zweite Amtszeit überraschend zurück: «Zwischenmenschlich hat es innerhalb des Gemeinderates nicht mehr gestimmt», sagte sie dem «Zürcher Unterländer».

Zwei Monate später dann der Eklat, als bekannt wurde, dass der Mann nicht wegen Animositäten geht – gegen die Gemeinderätin läuft ein Strafverfahren, bei einer Verurteilung droht die Amtsenthebung.

Ihre Ratskollegen hatten die Frau im August 2013 wegen «Verfehlungen im Amt» angezeigt. Der Gemeinderat schweigt sich über die Details aus. «Es handelt sich aber nicht um eine Lappalie», sagt Ilg. Er gehe davon aus, dass es zu einer Verurteilung komme.

Die Staatsanwaltschaft Winterthur-Unterland bestätigt, dass ein Verfahren hängig ist. Die Gemeinderätin sei vorgeladen worden, die Befragung stehe noch aus – weil sie Amtsträgerin ist, habe das Obergericht erst eine Bewilligung für die Strafuntersuchung erteilen müssen.

Die Frau ihrerseits hat eine Aufsichtsbeschwerde gegen ihre Amtskollegen sowie den Gemeindeschreiber eingereicht. Auch diese ist hängig.

... und jetzt auch gegen Ehemann

Die auf dem Plakat abgebildeten Gemeinderatskandidaten seien «zutiefst verärgert» über das Verhalten von ihrem Ehemann, sagt Ilg. Er hat Anfang Woche eine Anzeige gegen ihn gemacht. Die Kantonspolizei Zürich bestätigt, dass ein Strafantrag wegen Sachbeschädigung vorliegt.

Der Ehemann gesteht gegenüber der az seine Tat: «Es trifft zu, dass ich ohne das Wissen meiner Frau ein Wahlplakat beim Volg beschädigt habe. Das war ein Fehler, für den ich mich in aller Form entschuldige.»

Das Plakat zeige die amtierenden Gemeinderäte sowie Gemeinderatskandidat Beat Aeschbacher kurzärmlig. Daraus schliesse er, dass das Bild im letzten Sommer aufgenommen worden sei. «Meine Frau hat ihren Rücktritt erst im Dezember bekannt gegeben. Es wirkt auf mich, als ob meine Frau von langer Hand geplant und systematisch aus dem Gremium ausgeschlossen werden sollte.»

Er habe gespürt, dass der Druck auf seine Gattin weiter zugenommen habe, obwohl sie gar nicht mehr kandidiere. «Das hat mich zunehmend wütend gemacht. Der Wahlkampf, der öffentlich und hinter den Kulissen geführt wird, hat mich zu dieser Tat bewogen, die ich bedaure.»

Die Gemeinderätin will zur Tat ihres Gatten keine Stellung nehmen. Sie hält jedoch fest: «Ich habe mich mit viel Engagement für unsere Gemeinde eingesetzt und meine Ressorts mit grosser Sorgfalt geführt und weitergebracht.» Im letzten Jahr sei die Zusammenarbeit im Gemeinderat Oberweningen aber schwieriger geworden. Weil sie ans Amtsgeheimnis gebunden sei, könne sie keine Details nennen, aber: «Ich fühle mich gemobbt», sagt sie. «Die Situation macht mir und meiner Familie zu schaffen. Ich bin traurig und fassungslos.»

Der Gemeinderat hält an seiner Anzeige fest. «Uns ist klar, dass der Deliktbetrag gering ist», sagt Richard Ilg. Es gehe ums Prinzip: «Wir werden das nicht einfach so schlucken – ein solches Verhalten muss publik gemacht werden.» Der Gemeindepräsident habe schon Amtskollegen im Bezirk informiert.