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Der Gemeinderat Wettingen hat die Broschüre mit Tipps für junge Eltern aus dem Budget gekippt. Dagegen regte sich Widerstand. Nun krebst die Exekutive teilweise zurück.
Es war ein unschönes Geschenk, das viele junge Eltern in Wettingen kurz vor Weihnachten erhalten hatten.
Per Brief informierte die Gemeinde darüber, dass ihnen der «Elternbrief» der Pro Juventute nicht mehr zugeschickt wird.
Der sogenannte Elternbrief ist eigentlich eine Broschüre für junge Familien: Die Gemeinde liess die Broschüre seit 1986 jenen Müttern und Vätern zuschicken, die zum ersten Mal Eltern wurden.
Im Schnitt erhielten 150 Paare monatlich die Broschüre und bekamen nützliche Tipps zu Themen wie Pflege, Ernährung, Schlafverhalten, Erziehung oder Entwicklung.
Im Bezirk Baden haben alle Gemeinden bis auf Neuenhof und Killwangen den Elternbrief abonniert. In Baden finanziert ihn die Josef-und-Margrit-Killer-Schmidli-Stiftung.
Im Wettinger Schreiben an die Eltern heisst es: «Im Rahmen der Erarbeitung des Voranschlages 2016 haben Gemeinderat und Einwohnerrat verschiedene Sparmassnahmen beschlossen.»
Die Kosten für die Elternbriefe würden ab Januar 2016 nicht mehr übernommen. Spareffekt: 12 300 Franken.
Eine Leserbriefschreiberin kann die Kündigung des «Elternbrief»-Abos nicht nachvollziehen und schrieb dem «Badener Tagblatt»: «Wie beschämend, wenn das Sparen auf dem Buckel der Kleinsten unserer Gesellschaft ausgetragen wird.»
Die Sparübung sei nicht nachhaltig, denn alles, was die Gemeinde in frühen Jahren in ihre Kinder investiere, zahle sich langfristig aus.
Junge Eltern können sich die Broschüre zwar selber abonnieren oder die Informationen, die sie brauchen, im Internet suchen. Doch darin liege die Krux: «Gerade bildungsferne Eltern, die sich die Informationen nicht selber beschaffen, könnten von der Broschüre profitieren.»
Wie eine Umfrage bei einigen Einwohnerräten zeigt, war vielen von ihnen nicht bewusst, dass das Abo aus dem Budget gekippt wurde. Zwar heisst es seitens des Gemeinderats, er habe dem Einwohnerrat «ein um den Betrag ‹Elternbriefe› reduziertes Budget zur Beratung vorgelegt».
Und der Einwohnerrat sei dieser Reduktion gefolgt. Doch zumindest in der Budgetdebatte wurde die Kürzung nicht diskutiert.
Erst aufgrund des Leserbriefes wurde die junge SVP-Einwohnerrätin Michaela Huser darauf aufmerksam und reagierte mit Kritik: «Provokative Sparmassnahmen wie etwa das Einstellen des ‹Elternbriefes› sind lächerlich und wenig wirksam.»
Sie stehe jedoch nach wie vor hinter den getroffenen Sparmassnahmen im Budget 2016, «doch sollte darauf geachtet werden, dass diese Massnahmen auch nachhaltig sind und den grossen Beträgen gilt besonderes Augenmerk».
Als Beispiel nennt Huser die Redimensionierung des Sportzentrums Tägi. Für ihre Kritik habe sie nicht nur aus der eigenen Partei Zuspruch erhalten, sagt sie.
Inzwischen ist diese auch beim Gemeinderat angekommen. «In der Tat ist der Spareffekt sehr gering und im Hinblick auf das Budget 2017 zu überprüfen», räumt Gemeindeammann Markus Dieth ein. Der Gemeinderat plant, für 2017 das Abo wieder einzuführen.
Wieder einführen heisst konkret, dass Eltern künftig wählen können: Bisher bekamen sie für jedes erstgeborene Baby ein «Elternbrief»-Abo.
Zusätzlich erhielten sie für jedes Neugeborene einen Gutschein von 40 Franken für den Spielwarenladen Playland.
Gemeindeschreiber Urs Blickenstorfer wird nun einen Vorschlag für eine Variante ausarbeiten, bei welcher die Eltern bei der Geburt des ersten Kindes einen Gutschein erhalten, den sie entweder für das Abo oder im Playland einlösen können.
Dieth geht davon aus, dass dieser Vorschlag in der Budgetdebatte im Herbst vom Einwohnerrat beziehungsweise der Finanzkommission diskutiert wird.