Gerichtsprozess
Bespitzelung à la 007: Ein Aargauer James Bond mitten im Rosenkrieg der Eltern

Eine 37-Jährige war beschuldigt des Abhörens und Aufnehmens fremder Gespräche. Im Prozess am Bezirksgericht Baden ging es auch um einen äusserst hässlichen Rosenkrieg.

Rosmarie Mehlin
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Eine 37-jährige Frau wurde beschuldigt, mit ihrem iPhone fremde Gespräche abgehört und aufgenommen zu haben. (Symbolbild)

Eine 37-jährige Frau wurde beschuldigt, mit ihrem iPhone fremde Gespräche abgehört und aufgenommen zu haben. (Symbolbild)

Keystone

Eine Frau, die beschuldigt wird, mit einem iPhone fremde Gespräche abgehört und aufgenommen zu haben, muss technisch einigermassen versiert sein. Die Frau, die vor Einzelrichter Bruno Meyer sass, betonte jedoch, dass sie technisch eine totale Niete sei. Genau genommen, liess sie solches übersetzen, denn die Frau stammt aus einem fernen asiatischen Land. 37-jährig ist sie, eher klein, das schwarzglänzende Haar, das ihr bis zur Taille reicht, trägt sie zu einem dicken Zopf geflochten. Sichtlich nervös wartet sie auf die Verhandlung. Den Mann, ebenfalls eher klein und von derselben Hautfarbe wie die Frau, würdigt sie ebenso wenig eines Blickes, wie er sie.

Sie waren einmal ein Liebespaar, hatten geheiratet, drei Kinder gezeugt. Jetzt, wo das älteste 15-, das jüngste 6-jährig ist, führen sie einen äusserst hässlichen Rosenkrieg. Ein Eheschutzverfahren läuft – im Februar letzten Jahres war er daheim ausgezogen. Kurz zuvor war er zuerst zur Polizei und dann zur Staatsanwaltschaft gelaufen. Ein Strafbefehl gegen die Frau war die Folge. Darin steht zu lesen, dass sie in der gemeinsamen Wohnung Telefongespräche des Mannes ohne dessen Wissen abgehört sowie mittels einem, in seinem Auto deponierten iPhone, dessen jeweiligen Standort geortet habe. Des Weiteren habe die Frau ihm während eines Streits gedroht, dass – sollte er sie verlassen – sie oder jemand aus der Verwandtschaft in umbringen würde.

Verfolgt und überwacht

Bei der Befragung durch Richter Meyer lamentierte der 38-jährige Kläger ausschweifend und ausweichend, ohne konkret auf Fragen zu antworten. Er räumte ein, direkt habe die Frau ihn nie bedroht. Der Polizei und Staatsanwaltschaft gegenüber allerdings hatte er dramatisch geschildert, dass sie einmal während eines Streits mit einem Küchenmesser vor ihm herumgefuchtelt habe. Vor dem Richter schilderte er weinerlich, sie habe «schreckliche Dinge gemacht», ihn beispielsweise durch unbekannte Leute am Arbeitsplatz überwachen lassen. Die ganze Familie, samt ihren Eltern, habe ihn ständig beobachtet. Sie habe Gerüchte über ihn verbreitet, überall – in Baden, Wettingen, Neuenhof – schlecht über ihn geredet.

Die Frau stellte dies alles vehement in Abrede: Für all dies habe sie gar keine Zeit. Seit sie an einem Tumor erkrankt war, kann sie nicht mehr arbeiten, muss sich um die Kinder und ihre Gesundheit kümmern. Es stimme aber, dass das Telefon des Mannes abgehört wurde – aber nicht von ihr, sondern vom damals zehnjährigen Sohn. «Auch das mit der Handy-Ortung des Autos? Das tönt ja direkt nach James Bond», hielt Meyer staunend fest. Der Sohn sei sehr intelligent und technisch begabt. Wahrscheinlich habe die Lehrerin ihm das beigebracht. Der Sohn habe mitbekommen, dass der Vater nächtelang ausser Haus war. Er sei, so der Mann, manchmal mit einer Bekannten etwas trinken gegangen, aber «ich bin mit ihr nicht verheiratet».

Der Mann will raschmöglich die Scheidung; die Frau will zuwarten, obwohl sie einräumt, dass er sie schlecht behandelt und die Kinder auch schon geschlagen habe. «Ich war so verliebt in ihn, hatte ihn aus der Heimat hierher gebracht. Wenn wir uns scheiden, dann soll er zurück in die Heimat müssen. Das ist mein grösster Wunsch.» Die Kinder hätten ihren Vater gerne, würden gerne hin und wieder zu ihm nach Hause. Aber mit dem Argument, sie würden ihn ja nur abhören wollen, will er sie nicht treffen.

Bruno Meyer sprach die Frau von Schuld und Strafe frei; die Kosten gehen zulasten des Staates. Er gehe, so der Richter, davon aus, dass tatsächlich der Sohn den Vater à la 007 bespitzelt hatte. «Was die Drohung betrifft, so hat der Mann hier und jetzt das Ganze stark relativiert.» Zum Schluss appellierte Bruno Meyer an das Paar, sich nicht weiter streitend zu zerfleischen und für die Kinder einen Beistand zu beantragen: «Sie leiden am meisten unter diesem Rosenkrieg. Ihnen muss unbedingt geholfen werden.»