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Jakob Zirngast baut für pakistanische Mädchen Sportplätze und entwickelt ein Sportlehrbuch. Das heisse Klima und der Niqab sind dabei nur zwei Herausforderungen.
Als Jakob Zirngast 2007 für ein Praktikum zum ersten Mal nach Pakistan reist ist er vom Land und den Menschen überwältigt. «Viele Leute haben ein falsches Bild von diesen Menschen», sagt er. «Die allermeisten wollen in Frieden leben, und obwohl sie sehr arm sind, geben sie so viel.» Dass Männer sich umarmen und sich auf die Wangen küssen und dass Frauen kaum Rechte haben, war für den damals 19-jährigen eine neue Erfahrung.
Was die Mädchen und Frauen betrifft, so scheint das Bild im Westen nicht völlig verkehrt: «Viele Mädchen fühlen sich überflüssig, weil sie keine Rechte haben und keine Bildung bekommen», sagt Zirngast.
Er arbeitete damals als Lehrer in einem Waisenhaus für Mädchen im kleinen Dorf Bahra Kau nördlich von Islamabad. Das Heim ist ein Projekt des Badener Vereins «LivingEducation». «Die Eltern brachten ihre Töchter zu uns, weil sie zu arm waren, um sie zu ernähren und in die Schule zu schicken.» Andere Mädchen flohen vor der Zwangsheirat.
Die Erlebnisse im Waisenhaus haben Zirngast geprägt. Sieben Jahre später widmet er nun seine Masterarbeit in Sportwissenschaften den 220 Mädchen. Sie bekommen zwei Sportplätze und ein Sportlehrbuch. Um dies zu finanzieren, organisiert Zirngast in der Stanzerei in Baden ein Benefizkonzert mit Dinner. «Viele Freunde helfen mit und der gesamte Erlös fliest in das Projekt.»
Turnen im Niqab
13 000 Franken kosten die Plätze und das Material wie Bälle, Schläger oder Netze. Das Lehrmittel entwirft Jakob selber. Die Herausforderung: «Die meisten Mädchen bewegen sich verhüllt und haben noch nie richtig Sport gemacht. Also muss ich die Spiele den Umständen anpassen.»
Auch darf der Sport wegen des heissen Klimas nicht zu intensiv sein. Als Grundlage nimmt er bekannte Spiele wie Fangen, Ball über die Schnur oder Völkerball und ändert sie ab, sodass die Mädchen diese auch im Niqab spielen können. Das ganze Buch verfasst er in Deutsch und Englisch und lässt es in Pakistan auf Urdu übersetzen.
Auch die Sportplätze hat Zirngast selber entworfen. Es sind multifunktionale Plätze. «Das Netz in der Mitte ist beispielsweise verstellbar, sodass man Federball oder Volleyball spielen kann.» Spätestens bis Ende 2013 werden die Plätze und das Buch fertig sein. Im Januar wird Zirngast wieder nach Pakistan reisen, um die Lehrerinnen mit dem neuen Buch vertraut zu manchen und sie in Sachen Sport zu unterrichten.
Mehr Arbeit bringt mehr Freude
Seine Motivation: «Ich wollte unbedingt eine Masterarbeit machen, die anderen Menschen hilft», sagt er. Jetzt hat er zwar viel mehr Arbeit, «aber ich kann den Menschen in Pakistan etwas geben, das ihnen Freude macht».
Zirngast engagiert sich auch in Baden für Kinder, die es nicht leicht haben. Im Rahmen des städtischen Integrationsprogrammes gibt er Kindern mit Migrationshintergrund Turnunterricht. Dass Zirngast jetzt seine Masterarbeit zusammen mit dem Verein «LivingEducation» umsetzt, verdankt er dem Vereinspräsidenten und Badener Einwohnerrat Yahya Bajwa. «Zufällig sprach ich mit ihm über meine Masterarbeit und er schlug mir sofort dieses Projekt vor.»