Ein 44-jähriger Vater trifft vor Gericht auf seine Ex-Frau mit ihrem Anwalt – die hatte ihn angezeigt, weil er dem gemeinsamen Sohn monatelang keinen Unterhalt gezahlt hatte. Mit einer Zusage kann der Vater vor Gericht Schlimmeres verhindern – zumindest vorerst.
Im vergangenen Sommer schloss der 20-jährige Filip (alle Namen geändert) eine Lehre im Sozialbereich ab. Damit wurde sein Vater Marko von seinen Unterhaltspflichten entbunden. Dass der 44-Jährige, beschuldigt der Vernachlässigung derselbigen, sich jüngst in Baden vor Gericht verantworten musste, gründete aus den Jahren 2019 und 2020. Während 19 Monaten hat es Marko weitgehend unterlassen, seinem Sohn jeweils 850 Franken zu überweisen.
Schliesslich hatte der Ausstand die Summe von 14'085.40 Franken erreicht, was Petra – die Ex-Frau von Marko und Mutter von Filip – veranlasste, sich an ihren Anwalt zu wenden. Dieser reichte Strafanzeige ein und alsbald flatterte dem Schuldner ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ins Haus. Demnach sollte Marko zu einer unbedingten Geldstrafe von 6300 Franken verurteilt werden, zu denen sich eine Gebühr von 1000 Franken gesellten.
Einzelrichter Daniel Peyer, Petra und ihr Anwalt mussten sich zunächst etwas in Geduld üben, da der im Kanton Zürich lebende Beklagte statt ins Gerichtsgebäude in Baden nach Dättwil zur dort ansässigen Staatsanwaltschaft gefahren war. Und Marko ist bei weitem nicht der erste Beschuldigte, dem diese Verwechslung unterlief.
Marko und Petra sind seit vielen Jahren eingebürgert. Ihre Ehe wurde geschieden, als Filip zweijährig war. Marko hatte eine Lehre als Handwerker abgeschlossen; aus seiner zweiten Ehe hat er einen weiteren Sohn, der ein Gymnasium besucht. Eigenen Angaben zufolge sitzt er, hauptsächlich zu Lasten eines Betreibungsamtes, auf einem riesigen Schuldenberg. «Die meisten Schulden betreffen vor allem Lieferanten, mit denen ich weiter zusammenarbeite», führte er aus.
Anfang 2019 hatte er sich in seinem gelernten Beruf selbstständig gemacht, dies im August 2020 aber wieder aufgegeben. Ab Oktober hatte er eine Vollzeit-Anstellung und verdiente fast 6000 Franken. «Seit dem 16. Januar 2021 bin ich aber erneut selbstständig», tut er dem Richter kund. Er beschäftige fünf Angestellte. «Nach seinem Lehrabschluss habe ich auch Filip bei mir beschäftigt. Das hat leider nicht geklappt, da ihm das Handwerkliche überhaupt nicht liegt.»
2019 und 2020 habe es in seinem Leben, so Marko, einige Turbulenzen gegeben. Überhaupt keinen Unterhalt habe er aber nicht bezahlt. «Und ich habe Filip immer Taschengeld zugesteckt.» Das sei, so Petras Anwalt, ja gut und recht, aber seine Mandantin habe für den Sohn grosse Auslagen – Wohnen, Essen, Kleidung – gehabt, wofür sie die Unterhaltszahlungen dringend gebraucht hätte.
Der stämmige 44-jährige Marko – in Jeans und Hoodie, auf dem Kopf und im Gesicht grau meliert – wirkt, als könne er kein Wässerchen trüben. Allerdings gehen aus den Jahren 2010 bis 2017 drei Vorstrafen wegen Diebstahls, Betrugs, Veruntreuung und unterlassener Buchführung auf sein Konto – und er hat auch hinter Gittern gesessen. Die hier zur Debatte stehenden rund 14'000 Franken ausstehender Unterhaltspflicht akzeptiert er. «Ich werde sie ganz bestimmt im Januar zahlen», versichert er im Brustton der Überzeugung.
Da kommt dem Zuhörer doch glattweg die Erkenntnis von Goethes Faust in den Sinn: «Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.» Nichtsdestotrotz willigte Petra in den Vorschlag von Richter Peyer ein, das Strafverfahren vorläufig zu sistieren. Entsprechend wurde schriftlich festgehalten, dass Marko bis Ende Januar 2023 zu Gunsten seines Sohnes 7000 Franken sowie bis Ende Februar 2023 weitere 7000 Franken überweisen wird. «Das ist für mich kein Thema, das wird prompt erledigt», hält Marko dezidiert fest.
Sollte das Geld entgegen aller Beteuerungen doch nicht eintreffen, wird es eine zweite Verhandlung geben, was dem über 70-jährigen Anwalt aus dem Züribiet ganz und gar ungelegen käme: «Ich bin heute mit dem felsenfesten Entscheid nach Baden gekommen, dass dies meine allerletzte Gerichtsverhandlung ist.» Bleibt für ihn, vor allem aber für Filip und seine Mutter, zu hoffen, dass Marko nicht zu viel versprochen hat und Doktor Heinrich Faust mit seinem Zweifeln nicht Recht behält.