Eine 57-jährige Reinigungskraft wird beschuldigt, bei ihren Kunden Luxusuhren gestohlen zu haben. Vor dem Bezirksgericht fordert ihr Anwalt einen Freispruch. Es kommt anders.
Wegen mehrfachem Diebstahl stand diese Woche eine 57-jährige Frau vor dem Bezirksgericht Baden, die als Reinigungskraft tätig ist. Die Staatsanwaltschaft warf ihr vor, bei drei Kundinnen in der Region Baden Schmuck und eine wertvolle Uhr entwendet zu haben. Die Deliktsumme lag bei rund 30'000 Franken. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie eine Busse von 1000 Franken. Zudem solle die Frau jenen Schmuck, der bei ihr aufgefunden worden war, zurückgegeben.
Auch der Eigentümer einer verschwundenen Luxusuhr der Marke Patek Philippe trat vor Gericht als Zivilkläger auf. Als Beweis, dass diese der Familie gehört, zeigte er ein Foto. Auf diesem ist sein Vater, die Uhr tragend, zu sehen. Dabei ging es ihm nicht um den materiellen, sondern um den ideellen Wert der Uhr.
Der Pflichtverteidiger der Reinigungskraft plädierte auf Freispruch. Er zog das Verfahren in Zweifel, vor allem weil keine Beweise, sondern nur Aussagen vorlägen. Laut Anklageschrift sollen die Taten «zu einem unbekannten Zeitpunkt» im Februar oder März beziehungsweise Mai oder Juni begangen worden sein.
Einige der bei der Angeklagten sichergestellten Objekte stimmten mit den gestohlenen Objekten überein. In beiden Fällen liess die Geschädigte durch ihren Anwalt mitteilen, diese Objekte würden ihr gehören. Sie behauptete, eines der Schmuckstücke im Shoppi Spreitenbach gefunden zu haben. Andere seien ihr geschenkt worden. Der Verteidiger kritisierte, dass es in der Untersuchung keine Konfrontationen mit den Geschädigten gegeben habe. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft bezeichnet er als mangelhaft.
Die Tatsache, dass ausser den Schmuckstücken, die bei seiner Mandantin gefunden worden waren, keine Beweise, sondern nur Aussagen vorlagen, veranlasste den Verteidiger zu einem Vergleich mit einem Vorurteil: «Der Mörder ist immer der Gärtner und hier ist der Dieb immer die Putzfrau.»
Seine Klientin bestreite alles mit «nicht wissen». Deshalb fordere er einen Freispruch. Diesen verband er mit einem arbeitsrechtlichen Thema. Die Arbeitgeber hatten die Frau fristlos entlassen. Diese fristlose Entlassung wäre im Falle eines Freispruchs missbräuchlich gewesen. Konsequenterweise forderte der Verteidiger Schadenersatz für seine Klientin.
Gerichtspräsidentin Angela Eckert, die als Einzelrichterin amtete, sprach die Angeklagte teilweise schuldig. Die Reinigungskraft wurde zu einer Geldstrafe von 3600 Franken (120 Tagessätzen à 30 Franken) sowie einer Busse von 500 Franken verurteilt. Sie hat zudem drei Viertel der Gerichtskosten zu übernehmen, ein Viertel geht zu Lasten des Staates. Dieser übernimmt auch die Kosten für den Dolmetscher – die Frau spricht Italienisch. Zwei gefälschte Rolex-Uhren, die bei der Angeklagten gefunden wurden, werden vernichtet. Beim Anliegen zur Luxusuhr verwies die Gerichtspräsidentin Eckert auf den Zivilweg. Die 57-Jährige, begleitet von ihrem Ehemann, nahm das Urteil ruhig entgegen.