Ein Schäferhund-Mischling ging in einem Wald im Bezirk Baden auf ein Reh los – die Hundehalterin wehrte sich erfolgreich gegen einen Strafregistereintrag.
«Wir hörten ein Reh schreien und haben wenig später zwei Hunde gesehen, die das Reh bellend einkreisten. Da kamen wir zum Schluss, den Notruf zu wählen», schildert Zeugin Helen (alle Namen geändert) vor Gericht. Beschuldigt der Tierquälerei und der Widerhandlung gegen das Jagdgesetz sass dort Denise.
Der Fall, der die 55-Jährige dorthin brachte, hatte sich an einem Freitagnachmittag Anfang Februar letzten Jahres zugetragen. Zeugin Helen war mit einer Freundin in einem waldigen Naherholungsgebiet in der Region unterwegs. «Als Polizei und Jagdaufseher eintrafen, hatten sowohl ein Paar als auch Denise ihre Hunde wieder an der Leine und das Reh war verschwunden.»
Die 65-Jährige fühlte sich vor Einzelrichter Daniel Peyer sichtlich unwohl. Ihre Schilderungen waren zwar klar und präzise, doch immer wieder blickte sie entschuldigend zu Denise: «Ich wollte doch niemanden beschuldigen. Ich habe selber doch auch einen Hund und liebe Tiere. Mir ist es einzig um das schreiende Reh gegangen. Ihm musste doch geholfen oder es musste erlöst werden.» Von einer Verletzung am Reh habe sie nichts gesehen, «aber es hatte wirklich panisch geschrien gehabt».
Benga, die damals dreieinhalbjährige Hündin von Denise, ist ein recht kleiner Schäferhund-Mischling. Gegenüber der Staatsanwältin hatte Denise ausgesagt, Benga habe sich damals plötzlich losgerissen und sei abgehauen.
In ihrem Strafbefehl schrieb die Anklägerin: «Die Beschuldigte hatte ihren Hund in pflichtwidrig unvorsichtiger Weise nicht ständig unter Kontrolle, sodass er das Reh jagen und anbellen konnte, wodurch dieses zumindest in Angst versetzt und so in seiner Würde tangiert wurde. Dies wäre sowohl voraussehbar als auch vermeidbar gewesen. Sie hat den Hund fahrlässig wildern lassen.»
Denise sollte deshalb mit 1800 Franken Geldstrafe, bedingt auf zwei Jahre, sowie 500 Franken Busse bestraft werden sowie die Gebühren und Auslagen in Höhe von 900 Franken bezahlen. Dagegen hat die selbstständigerwerbende Denise Einsprache erhoben. Dies auch, weil Tierquälerei als Vergehen, und nicht lediglich als Übertretung, bei einer Verurteilung einen Eintrag ins Strafregister zur Folge hat.
Vor Gericht erschien sie mit einer Anwältin. Ihr erteilte Richter Peyer – nachdem er keine zusätzlichen Fragen an die Beschuldigte hatte – alsbald das Wort. Als Erstes forderte sie einen vollumfänglichen Freispruch. Dies vor allem, weil das Geschehene klar nicht als Vergehen gegen das Tierschutzgesetz subsummiert werden könne. «Dieses Gesetz bestimmt das Verhältnis vom Menschen zum Tier, das heisst, der Mensch muss unmittelbarer Verursacher von Quälereien gegenüber einem Tier sein. Denken wir zum Beispiel an Schläge, mangelnde oder Bewegungsfreiheit oder qualvolle Tötungsmethoden.»
Denise habe auch nicht fahrlässig gegen das Jagdgesetz verstossen: «Benga war angeleint, als sie sich losriss und entwischte. Nachdem Leinenpflicht in Waldgebieten laut Gesetz nur jeweils von 1. April bis 31. Juli besteht, wäre jeder Hundehalter, der sein Tier ausserhalb dieser Frist nicht an der Leine führt, ein potenzieller Straftäter.»
Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der Hündin voraussehbar gewesen wäre. Ihre Mandantin habe das Reh ja weder gesehen noch gehört. Nicht zuletzt auch, weil die Zeugen betreffend der beteiligten Hunde widersprüchliche Aussagen gemacht hätten, sei der Sachverhalt nicht rechtsgenüglich erstellt.
Gerichtspräsident Daniel Peyer folgte der Argumentation der Verteidigerin vollumfänglich und sprach Denise von Schuld und Strafe frei. Die Kosten der Anwältin werden auf die Staatskasse genommen.